Sepia
Was sich hinter diesem Kurzgeschichten-Titel verbirgt, die Slam Poetry und damit Lyrik ist, erschließt sich gleich nach den ersten Worten. Wo man vermuten konnte, der Text wird von einem Kopffüßer erzählen, ist dann doch der im Duden beschriebene Farbton “von stumpfem Grau- oder Schwarzbraun” gemeint. Und dass es nicht um Farbe, sondern um einen ebenfalls stumpfen Gemütszustand geht, kann wohl kaum einem nach den den ersten Zeilen entgehen.
Die Moral von der Geschicht’ vorweggenommen (Spoiler-Alarm): Im besten Fall wird aus Verzweiflung Hoffnung, aus Einsamkeit Selbstsicherheit.
Dass ein das eigene Selbst entzweireißender Verlust nicht das Ende von allem sein muss, lässt uns Tino Falke durch diesen Text erfahren. Tief dürfen wir in seine Gefühle, die destruktiven und auch konstruktiven, eintauchen. Er schubst uns mit gedrückter FastForward-Taste durch eine Achterbahn seiner eigenen Gefühle, bei denen man sich nicht selten wiedererkennt. Aber er geht sogar noch einen Schritt weiter, denn er lässt uns auch an der Reflexion über seine Gefühle teilhaben: Ein Seelen-Entblättern in zweiter Potenz also. Der Nukelus des Texte: Nach einer Beziehung ist er nun zerrissen, halbiert und leer. Doch in seiner verantwortungsbewussten Art lässt er uns nicht in diesem deprimierenden Zustand verharren, sondern berichtet gedichtet von einem Weg hindurch, denn es geht immer irgendwie weiter … und das hat seine innere Logik:
Denn trotz aller Analogien von Zerrissenheit und Verlust, so ist man durch eine Beziehung zu einem anderen Menschen doch immer mehr als zuvor. Ganz gleich, ob der Mensch einen absichtlich oder unabsichtlich verlässt oder idealerweise bleibt. Wie nach einem Verlust mehr übrig sein kann, steht im krassen Widerspruch zu jeder Subtraktion, die man von der Grundschule an gelehrt bekommt. Vielleicht nur mit Quantenphysik erklärbar ist aber der/die Einzelne durch die Begegnung mit einem/einer anderen Einzelnen immer verändert und auch angereichert.
Wenn ich eine Grundlage der Quantenphysik richtig verstanden habe, so “entscheidet” sich ein Quantenteilchen erst durch die beobachtende Begegnung für einen Zustand, wo zuvor mehr als ein Zustand möglich war. Bricht die Begegnung ab, verlässt uns also nur der/die Beobachter*in und man wird wieder zu etwas, das mehrere Zustände sein kann plus der Gefühle und Erinnerungen an das Zuvor. Das gibt doch irgendwie Hoffnung.