June Is: Gefangen zwischen den Zeilen – Simas Fluch

Der Debütroman von June Is ist ein wirklich (!) wilder Ritt.
Ich kann meine Überraschung, die ich beim Öffnen der Post verspürte, nicht verhehlen, als mir ein kleines Taschenbuch in einem eher ungewohnten Format entgegenstolperte … denn bei der Papierausgabe von “Gefangen zwischen den Zeilen – Simas Fluch” handelt sich um ein buchstäblich in die Hosentasche passendes Buch. Zuerst dachte ich … och … das ist aber putzig und so reclamesk, aber sobald ich es dann in den Händen hielt, wünschte ich mir, alle Bücher würden in diesem Format verlegt werden (semi-subtiler Hinweis an den ohneohren-Verlag).

Erstes Fazit noch vor dem Aufschlagen der ersten Seite … sehr gelungener erster Eindruck … und es wurde besser und besser.

Was wie ein wohliger Fantasyroman mit Drachen und Halbdrachen in einem Reich namens Valaebal auf einem fremd anmutenden Planeten namens Cloeffhê beginnt, auf dem Magie offenbar alltäglich ist, entpuppt sich rasch zu einem Liebesgedicht an Bücher und Bibliotheken … ach, was sag’ ich … an das Erzählen von Geschichten als solches.
June Is versteht es, mit prägnanten Szenenbeschreibungen Bilder in meinem Kopf zu erzeugen, die es mir sehr leicht gemacht haben, schnell Teil der Handlung zu sein. Gerade, als ich mich schon so ein bisschen in der Welt der Protagonistin Aislyn wohnlich fühlte … geht unvermittelt aber die Luzi ab. Innerhalb von wenigen Zeilen werde ich zum Pinball und quer durch die Jahrhunderte, Welten und Personen geschleudert. Kleiner Hinweis am Rande: Man könnte als content note noch so etwas wie “Hochgeschwindigkeitshandlungswandel” hinzufügen. Eine kleine Vorwarnung, sich besser anzuschnallen wäre nett gewesen, aber andererseits … wo bliebe da das Moment der Überraschung?

June Is erzählt ungebremst eine Geschichte, deren Komplexität nur gestreift wird (vgl. das Interview auf literatopia.de), viel ausführlicher erläutert werden könnte, es die Erzählzeit aber nicht zulässt. Einige der Charaktere in ihrer Geschichte verlassen ihr ursprüngliches Dasein und ihre physische Welt und erleben eine Geschichte in der Geschichte, deren Handlung sie beeinflussen können, dann aber auch wieder nicht. So weit, so gut. Is gibt sich damit aber nicht zufrieden und erweitert das “Ich-spring-mal-durch-Realitäten” mit Zeitsprüngen durch die Jahrhunderte und Bewussteinssprüngen von einem Charakter in den anderen.

Zwischen-Fazit:
Es kam nicht nur einmal vor, dass ich meine altersbedingt beim Lesen allmählich absinkende Konzentration wieder disziplinieren und/oder den vorangegangenen Absatz zweimal lesen musste, um mich in der Szene überhaupt zurechtzufinden. Denn einerseits spielt June Is mit den epochenüblichen Rahmenbedingungen ihrer wechselnden Handlungsorte, behält sich aber auch vor, der/dem Leser*in peu à peu Details eines übergeordneten Regelwerks dessen durchsickern zu lassen, was zur Hölle aus welchen Gründen hier überhaupt passiert.
Plötzlich freue ich mich, gedanklich meiner leidgeprüften Mutter eine Nachricht zukommen lassen zu können, dass sich all die Stunden, Tage, Wochen und Monate, die ich vorm Computer und in Hobbykellern verbracht habe, nun endlich auszahlen. Denn es erscheint mir beim Lesen von “Gefangen zwischen den Zeilen – Simas Fluch” überaus hilfreich, mit Vorerfahrungen im Fach Pen&Paper Rollenspiele und/oder Adventure-Computerspiele aufwarten zu können. Noch ein kleiner Hinweis: Auch das könnte man in die content notes packen oder aber June Is bietet demnächst Vorbereitungskurse an … gerne auch Online-Tutorials.

Bisher war ich geneigt, viele meiner Kind- und Jugendaktivitäten als ganz nett, aber eigentlich dann doch als unproduktive Zeitverschwendung zu deklassieren, erkenne nun aber, wie wertvoll es war/ist, sich mit Spielen, Büchern und auch Filmen zu beschäftigen, die die ganze Palette der Phantastik abdeck(t)en. Überhaupt wäre der Roman eine ungemein geeignete Vorlage für einen Film. Wahrscheinlich deshalb, weil mir unvermittelt Szenen aus Streifen wie “Butterfly Effect”, “Jumper” oder “Die Frau des Zeitreisenden” in den Sinn kamen. Aber auch alte Erinnerungen an Bücher wie Dean R. Koontz’ “Ort des Grauens” und jüngere an Swantje Niemanns “Das Buch der Augen” wirbelten beim Lesen von Is’ Geschichte in meinem Kopf herum.

Von der ersten bis zur letzten Seite bleibt der Debütroman von June Is spannend. Hinter jeder Seite verbirgt sich eine neue Überraschung und dennoch laufen alle Handlungsschnipsel wie von Magierinnenhand in einem Ende zusammen, das (fast) alle Fragen beantwortet.
Ich möchte doch gerne mal die graphischen Entwürfe der Handlungsstränge des Romans sehen. Wahrscheinlich steht im Schreibzimmer von June Is ein riesiges dreidimensionales Kanban-Board mit über Wollfäden verbundenen Stecknadeln, wie man sie von FBI-Ermittlern aus Serien und Filmen kennt … bloß eben nicht in der Anfängerversion, sondern im XXL-Style (Fotos gerne an den Verfasser dieses Textes senden).

Fazit-Fazit: Das Lesen von “Gefangen zwischen den Zeilen – Simas Fluch” war ein Genuss und eine Fortsetzung dieser Geschichte (oder wahlweise auch einer völlig anderen) erscheint mir hier nur logisch, was mich persönlich sehr freuen würde. Very good job!

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