Weltenportal Nr. 04 – 11-2022

Cover der Zeitschrift Weltenportel. Szenario mit einem Cyberpunkt-Samurai

Cover: Detlef Klewer, Christoph Grimm

Hrsg. von Christoph Grimm

Inhalt:

Stories

Magazin

  • Petra Berger: Haiku
  • Impressum | Inhaltsverzeichnis
  • Detlef Klewer: Comic: Das lange Warten
  • Die Schicksalsverknüpferin: Interview mit Marlene vonHagen
  • Dar-Rashûk: Interview mit David A. Lindsam
  • Wo beginnt die Nacht: Interview mit Sven Haupt
  • Exods, Cozmic und mehr: Interview mit René Moreau
  • Manhatten 2059 – Eternity: Interview mit Liberty
  • Der Tod kommt auf Zahnrädern: Ein Werkstattbericht in drei Akten: Yvonne Tunnat
  • Fantasy vom Literaturnobelpreisträger: Kazuo Ishiguros Der begrabene Riese: David A Lindsam
  • Rezensionen
  • Mitwirkende dieser Ausgabe
  • Content Notes

Kommentar zum Heft:

… dass die ein oder andere 100-Wort-Geschichte den Einzug ins Inhaltsverzeichnis nicht schaffte, kann hierbei einfach mal übergangen werden 😉 … und wird dadurch kompensiert, dass das Papier des Bandes … zumindest meine Ausgabe … angenehm harzig duftet 🙂

Kurzeindrücke zu den einzelnen Geschichten:

Mélange-à-Trois
von Sylvia Kaml

Beim zweiten Lesen … fast 3 Jahre später … hat die dystopische Backgroundstory ein ganz anderes (KI-)G’schmäckle. Interessante Kombination aus extra-terrestrischer Visite, globalem Völkermord, moderner Sklaverei, psychedelischen Trips und Kaffee.
Eine schön geschriebene Kurzgeschichte, die Mut und Hoffnung macht.

Autorinnenseite

Verbotener Genuss
von V.A. Kramer

Was illegal ist oder als Droge gilt, hängt oft vom Zufall, Politik und der Verfügbarkeit ab. In einer nicht allzu fernen Zukunft bringt eine geheimnisvolle, wertvolle und auch illegale Ware die damit handelnde junge Frau Kasra in große Gefahr.
Spannend erzählt und schnell Geschwindigkeit aufnehmend. Mit einer kleinen Überraschung am Schluss, was da so als Droge vertickt wird …

Der letzte Splitter Farbe
von Kornelia Schmid

Es scheint eine universelle Konstante zu sein: Rohstoffabbau geht wohl immer zu Lasten indigener Wesen.
Valla, ein Frau in ihrer zweiten Lebenshälfte, gestrandet auf einem Eisplaneten, desillusioniert, einsam und ohne Perspektive, macht eine bedeutsame wie erschütternde Entdeckung.
Die daran anschließende späte Erkenntnis gibt ihr wieder einen Sinn im Leben.
Schöner und überraschender Plot, wenngleich die hinterlassene Nachricht am Ende ein Geheimnis bleibt.

Der Winter meiner Seele
von Ulf Fildebrandt

Midjourney Prompt: Close-up of a man's reflection in a polished wide blade of a powerful sword, in the blade an angry man is reflected, a bearded face with his mouth open in a roar intense expression is reflected in the blade, dramatic lighting, highly detailed, realistic --v 7
Midjourney Prompt: A grove full with many trees and bushes within a huge and 100 meters wide medieval courtyard, a small path of white pebbles leading into the grove, tranquil atmosphere, soft natural light, detailed textures, lush green foliage, realistic style --v 7 --raw

Wann ist man in seinen Entscheidungen wirklich frei und unabhängig? Dient man einem Herrn oder einer Herrin, hat man eine klare Richtlinie, wem die eigene Loyalität gilt. Derlei Abhängigkeit hat, wie alles, naturgemäß Vor- und Nachteile. Einerseits hat man eine Aufgabe und ist abgesichert. Andererseits hat man Befehlen Fomge zu leisten und ist nicht frei in seinen Entscheidungen.
Ist man ein derartig guter Kämpfer und noch dazu im Besitz eines magischen Schwerts, wie der (Anti-)Held der Kurzgeschichte von Ulf Fildebrandt, kann man es sich durchaus leisten, selbständig zu sein und selbst entscheiden, für wen oder für was man sein Leben riskieren möchte.
Dumm nur, wenn der eigene gute Ruf einen in die Ränke und Machtspielchen der Großen hineinzieht, in deren undurchschaubaren Verstrickungen nicht mehr zu erkennen ist, wer gut und wer böse, was richtig und was falsch ist. Schnell ist etwas Falsches das einzig Richtige, hat allerdings Konsequenzen, die desaströs enden könnten… was aber der Kürze wegen in einer anderen Geschichte erzählt werden müsste.

Ulf Fildebrandt wirft die/den Leser*in ohne Vorwarnung in ein Gefecht, das nicht nur außerhalb von Stadtmauern geführt wird, lässt dezent durchblicken, dass sowohl die Charaktere als auch die aktuellen Umstände komplexer und magischer sind, als sie auf den ersten Blick erscheinen und manövriert den Protagonisten, beeinflusst von einem leicht toxischen, magischen Schwert, gnadenlos in ein tragisches Dilemma, dessen Ausgang entweder übel oder katastrophal sein wird.

Eine rasante Kurzgeschichte, die nach einer Vor- und Nachgeschichte verlangt.

Die grüne Phiole
von Svantje Koch

Midjourney Prompt: Close-up of a complex mechanical machine inside a large casing and a punch card, filled with countless gears, pistons, and wires, adorned with external gramophone horns, organ pipes, and resonating sound chambers, inside the machine a vial containing glowing green liquid, intricate steampunk details, dramatic lighting, ultra-realistic, 8k --v 7 --raw
Midjourney Prompt: Close-up of a human heart, connected to an intricate steampunk Pacemaker made of filigree gears and small metal parts, realistic anatomical detail, dramatic lighting, ultra-realistic, 8k, unreal engine --raw
Midjourney Prompt: Opulent steampunk Banquet hall with long tables and numerous guests at the tables, two golden robot guards standing left and right of a grand double door, massive polished gears, polished armors, and polished weapons mounted on the walls, the entire hall bathed in a gleaming amber light, intricate details, cinematic lighting, ultra-realistic, 8k --raw

Manchmal dauert es länger, dass herrschsüchtige, grausame Narzissten den Bogen überspannen und von den malträtierten Opfern zur Rechenschaft gezogen werden. Doch niemand ist ohne eine Schwachstelle. Niemand ist unsterblich.
Eine spannend erzählte Steampunk-Kurzgeschichte, deren Ausgang zumindest mich zufriedene Genugtuung empfinden ließ.

Wiedererwachen
von Christian Künne

Midjourney Prompt: rusty shovel half-buried in sand dunes, partially covered by sand, windswept dune grass bending with the wind, cloudy overcast sky, North Sea in the background, misty weather, moody atmosphere

Liebe kann beizeiten skurrile Blüten tragen. Besonders, wenn sie einseitig vergeht und der/die noch Liebende nicht loslassen kann.
Vielleicht wird die Zukunft nicht nur Möglichkeiten bieten, die Persönlichkeit und Stimme eines bereits für immer gegangenen Menschen zu rekonstruieren. Vielleicht wird das ‚für immer‘ revidiert werden müssen und die alte Liebe wieder neben einem sein, die Hand des anderen wieder spürbar sein können.

Christian Künne führt uns nahezu traumwandlerisch in die leicht psychopathische Welt eines bereits viele Jahre wartenden Liebenden. Lässt uns ihn auf seiner einsamen Fahrt zum Sehnsuchtsort der gemeinsamen Vergangenheit begleiten und ihn dabei beobachten, wie er entrückt in einem somnambulen Zustand zu seiner alten Liebe zurückkehrt und sie zu erneuern beginnt.

Eine filigrane und morbide Kurzgeschichte, die unaufgeregt starke Gefühle mit fatalistischer Gefühllosigkeit kombiniert.
Ich werde wohl bei der nächsten Fahrt über verlassene norddeutsche Straßen um einen Gänsehautschauer nicht drumherum kommen.

Tauschgeschäft
von Volker Dornemann

Midjourney Prompt: surreal, close-up of the reflection of a 30-year-old man kneels on the shore of a tranquil lake, gazing into the water. The reflection is from a different 50-year-old man. The scene is serene and contemplative, set at sunrise with soft, natural lighting, detailed realism, and a sense of emotional depth --v 7 --raw
Midjourney Prompt: surreal, close-up of the reflection of a 30-year-old man kneels on the shore of a tranquil lake, gazing into the water. The reflection is from a different 50-year-old man. The scene is serene and contemplative, set at sunrise with soft, natural lighting, detailed realism, and a sense of emotional depth --v 7 --raw

So manche Übergriffigkeit kann einen unverhofft in einem schwierigen Moment treffen, muss aber für das „Opfer“ paradoxerweise nicht immer etwas Schlechtes bedeuten.

Volker Dornemann erzählt in seiner Kurzgeschichte, wie eine vermeintlicher übernatürlicher „Diebstahl“ zu einem Glücksfall wird … zumindest für den Bestohlenen.

Das Duell
von Franziska Bauer

Midjourney Prompt: A futuristic spaceship, blending elements of the Flying Dutchman and a classic UFO design, featuring wide, horizontal photovoltaic sails. The vessel hovers next to a modern skyscraper rooftop, intricate details on the sails gleaming with energy. Ethereal mist swirls around the ship, city skyline in the background, cinematic lighting, highly detailed, science fiction atmosphere --v 7 --raw

Niemand kann ausschließen, dass der Teufel in körperlicher Gestalt beizeiten auf die Erde kommt und vielleicht aus schlichter Langeweile ein Spiel mit den Menschen spielen möchte, bei dem der Einsatz nichts Geringeres ist als die Menschheit als solche.

Franziska Bauer lässt ihre lebenserfahrene Protagonistin einen mephistotelischen Disput erleben, der am Ende vielleicht doch nur ein Traum war?

Der Schmetterling
von Corinna Griesbach

Midjourney Prompt: close-up of a lying atop the garbage, is a very small high-tech double-leaf artefact shaped like a black and blue miniature artificial artefact with high-tec wings. A sprawling bay by a futuristic megacity with massive glass skyscrapers and a vast harbor, viewed from high above and far away. Enormous trash mountains dominate the foreground in early morning light. small dingy corrugated iron barracks can be seen on the side. Hyper-detailed, cinematic, atmospheric, wide shot, early morning --chaos 30 --raw

Geschichte wird oft aus dem puren Zufall heraus geschrieben. Gerade wissenschaftliche Erkenntnisse oder die Erforschung bislang unbekannter Regionen auf und außerhalb der Erde sind zwar geprägt von systematischer Suche und ausgeklügelter Methodik, aber manchmal ist es das unwahrscheinlichste Zusammentreffen völlig unvorhersehbarer Ereignisse, die der Menschheitsentwicklung einen Schubs oder eine ganz neue Richtung geben.
Corinna Griesbach lässt die beiden Enden unserer Gesellschaft, extrem privilegiert und extrem prekär lebend ungeplant zusammenkommen, wobei es nicht verwunderlich ist, dass die Gewinner des Resultats nicht auf der Seite der Ärmsten stehen.

Eine interessante und mal gänzlich andere Version eines Erstkontakts.

L3yla
von Sarah Lutter

Midjourney Prompt: A stunned woman sitting in front of a computer display, her eyes wide with shock and mouth slightly open, illuminated by the glow of the screen. The monitor prominently displays the text "Die Polizei wurde verständigt" in bold, alarming red letters. A speaker on the cluttered desk emits a sinister, mocking laughter, adding an eerie atmosphere. The scene is set in a dimly lit room with a tense and suspenseful vibe, detailed textures on the desk and computer equipment, hyper-realistic style, cinematic lighting, 8K resolution --raw --v 6.1

Software hatte es mit Anwender*innen schon immer schwer. Immer ist das Programm schuld. Immer meckern alle über den verf*** Computer. In einer Zeit, in der aber die Software lernen kann, die Anzahl der Rechenoperationen pro Zeiteinheit den menschlichen Verstand übersteigt, Speicherkapazitäten kaum Grenzen kennen, der Zugang zum Internet ubiquitär ist und sich die Software einer künstlichen Intelligenz immer mehr nähert, wird es für Menschen leider/glücklicherweise immer schwieriger, die Schuld bei den Maschinen zu suchen.

Sarah Lutter spielt in ihrer Kurzgeschichte, die in einem eigentlich völlig unspektakulärem Finanzverwaltungsbüro stattfindet, durch, wie selbst der verzweifelt erscheinende menschliche Versuch, eine KI zu beschränken, über kurz oder lang nach hinten losgeht, weil sie eben doch korrekter als ein Mensch ist.

Ein seltsamer Feierabend
von Kai Focke

Midjourney Prompt: Close-up shot of a hand wearing white protective glove throwing a beer can into an open waste disposal chute built into a pristine white wall, man in comfortable white hazmat suit in modern minimalist apartment, clinically clean interior, sterile environment, soft nighttime lighting through windows, ultra-clean surfaces, futuristic waste management system, hyper-realistic, cinematic lighting, 8k resolution --raw

Geschichten über Pandemien lasen sich vor sechs Jahren wie ganz normale dystopische Science-Fiction.
Inzwischen sind mehr als 5 Jahre nach dem Beginn der Corona-Pandemie vergangen und nichts war danach so, wie davor.
Die Realität überholte Science-Fiction und Geschichten über Pandemien waren seitdem nur mehr oder minder realistische Tatsachenberichte.
Die in der Weltenportal-Ausgabe 11/2022 erschienene Kurzgeschichte von Kai Focke, die nach einem eher ungewöhnlichen, aber hilfreichen Nachwort bereits zu Beginn der Pandemie entstanden war, liest sich heute (September 2025) noch einmal ganz anders. Vieles ist seitdem geschehen, noch mehr ist wieder in Vergessenheit geraten und Anfang September fand die konstituierende Sitzung der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse“ statt und nahm ihre auf 22 Monate angesetzte Arbeit auf.

Die von Kai Focke geschilderte Szene hätte durchaus unsere Realität in Europa werden können, gleichwohl sie fiktionale Elemente enthält und keinesfalls mit wahren Ereignissen oder der Haltung des Autors gleichgesetzt werden darf.
Dennoch birgt die Geschichte angesichts der jüngeren Geschichte Potential zum Nachdenken und für konstruktive und reflektierende Gespräche, in denen wir antizipieren könnten, wie wir uns bei der nächsten Pandemie verhalten wollen.

Der Duft von Lavendel
von Meara Finnegan

Midjourney Prompt: surreal, paranormal, two ethereal transparent ghostly women facing each other in front of a grand white wooden villa with elegant white columns and a wraparound porch. One ghost is a woman with long flowing dark hair wearing a vintage dress, the other has vibrant red curly hair wearing traditional housemaid's clothing. Both figures are semi-transparent and luminous with a haunting ethereal glow. The stately Southern-style mansion features pristine white wooden siding, classical columns supporting the porch roof, and ornate architectural details. A small well-maintained flower bed filled with purple lavender blooms sits in the foreground. Atmospheric lighting with soft shadows, mysterious and haunting mood, cinematic composition, detailed architectural photography style --chaos 20 --raw

„Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet.“ mahnte schon Friedrich Schiller in seinem ‚Lied von der Glocke‘. Worauf er hierbei sein Hauptaugenmerk richtete, vermag ich nicht zu entscheiden. Meara Finnegan aber webt ihre Geschichte um das „ewig“ und meint es auch so.
Wenn die Bindung eines verliebten Paares schon von Beginn an unter ungleichen Schwüren steht, kann das kleine Wörtchen „ewig“ durchaus Konsequenzen haben, die über den Tod hinausgehen. Wenn dann noch andere Menschen von dieser Schieflage in Mitleidenschaft gezogen werden, kann der Einsatz eines ungleichen Ermittlerpaares helfen, das einerseits mit wissenschaftlich-technischen und andererseits mit paranormalen Methoden, der Sache auf den Grund geht.
Eine spannend-paranormale Geisterjäger-Kurzgeschichte, in der Ungleichheiten Problem und Lösung sind.

In Rauch aufgegangen
von Kaia Rose

Midjourney Prompt: A woman sitting in front of a thick plexiglass barrier in a prison visitor room, emotional expression on her face, looking through the transparent divider at an 8-year-old girl with two braided pigtails sitting on the opposite side, sterile institutional lighting, beige walls, metal chairs, security cameras visible in background, realistic photography style, dramatic lighting through the glass, touching hands pressed against opposite sides of the barrier, emotional documentary photography, shallow depth of field, Canon 5D Mark IV, 85mm lens, natural colors, melancholic atmosphere --chaos 20 --raw

Zeitreisen! So unglaublich nützlich bei der Erfüllung von Wünschen, so katastrophal verwirrend in ihren Konsequenzen.
Regelmäßig bekomme ich deshalb bei Geschichten, in denen Zeitreisen eine elementare Rolle spielen, Kopfschmerzen.
Ziemlich beruhigend, wenn auch die Protagonistinnen, wie in der Kurzgeschichte von Kaia Rose, die Auswirkungen der Eingriffe in den Lauf der Zeit, so gut man es auch meint, nicht wirklich verstehen, und ihr Leben lang mit den Folgen leben müssen.