J.R.R. Tolkien – Der Herr der Ringe – Eine Vorlesereise (Erstes Buch)

Eine illustrierte Vorlese-Reise:

Und schon wieder ist dies hier keine Rezension.

Nachdem ich versucht habe, meine Gedanken während des Vorlesens vom “Der Hobbit” zu notieren, war es im Grunde nur konsequent, direkt mit dem “Herrn der Ringe” weiterzumachen. Meine Zuhörerin hatte nichts dagegen, sie sprach sich sogar sehr dafür aus, das Abenteuer weitergehen zu lassen. Auch wenn sie sich noch nicht ausmalen konnte, was da alles auf sie zukommen wird. 

“Der Herr der Ringe” von J.R.R. Tolkien dürfte den meisten durch die Filme von Peter Jackson bekannt sein. Aber gerade bei diesem Werk lohnt es sich, sich der literarischen Vorlage zu widmen, denn vieles wurde für den Medienwechsel abgeändert, weggelassen oder hinzugefügt. Auch wenn die Filme grandios geworden sind, so kommt man dem Spirit von Mittelerde und dem Worldbuilding des Autors um einiges näher, wenn man sich dem Buch widmet. Und wie schon beim “Hobbit” muss ich gestehen, dass das laute Vorlesen so manche Überraschung für mich, der sowohl das Buch (die Bücher) als auch die Filme bereits mehrfach genossen hat, bereit hielt. 

Auch fröne ich wieder meiner Midjourney-Obsession und versuche die Bilder im eigenen Kopf mithilfe der KI “zu Papier” und auf Instagram, Threads, Mastodon und jetzt auch noch auf Bluesky zu bringen.

Hier nun der Überblick der Sammlung.

Wieder hoffe ich, die/der ein oder andere findet die Bilder ansprechend und wird zur Nachahmung animiert … sowohl was die kreative Nutzung von GenAI als auch das Vorlesen für Familienmitglieder oder/und Freunde/Bekannte angeht.

Illustrationen zu "Der Herr der Ringe"

Quelle: Midjourney/ Ralf H. Schneider

Texte zu den einzelnen Etappen

Auch beim HdR gilt: Es ist nie zu spät für Tolkiens Werk 😜

Während der Zeit als ich “Der Herr der Ringe” meiner Pflegeperson vorm Einschlafen vorlas, wurde Minni 92 Jahre alt. Ein stattliches Alter mit vielen Einschränkungen, Bedürfnissen und gesundheitlichen Problemen. Eines scheint man aber auch im Alter nicht zu verlieren: Der Wunsch, Geschichten zu hören.

Erstes Buch

Den Herrn der Ringe nach so langer Zeit wieder aufzuschlagen, ist wie Nachhausekommen. Vertraut und doch trifft man auf Unbekanntes. Vielleicht liegt es auch daran, dass man bei lautem Vorlesen, die Wörter anders wahrnimmt und Passagen, wie den nicht ganz so prickelnden Prolog, der wie hier die Vorgängergeschichte Revue passieren lässt, das letzte Mal etwas unaufmerksam gelesen hat.

Auch wenn die Erläuterungen über Hobbits und das Auenland etwas weitschweifend ausfallen, gehört dies dazu … und auch meine betagte Zuhörerin muss da durch 😉

Aus dem vollen Lauf der Erläuterungen zu Hobbits, ihrer Geschichte und Eigenarten geht Tolkien unmittelbar zum außergewöhnlichen 111. Geburtstag von Bilbo über, bei dem weitere Charakterzüge der Halblinge zum Vorschein kommen.
Mit dem Einsatz Frodos als Erbe von Beutelsend läutet Tolkien die Übergabe der Hauptrolle von Bilbo auf seinen Lieblingsvetter und damit auf die jüngere Generation ein.

Bei manchem Abschnitt im HdR könnte man vermuten, dass es als “Gute-Nacht-Geschichte” zu düster oder zu unheimlich sein könnte. So auch in der Szene, als Gandalf Frodo die wahre Natur des Einen Rings offenbart. Zumal ich mich bemühe, in verteilten Rollen zu sprechen und die Stimmung (hier: Dramatik) rüberzubringen.
Aber als ich für den Abend zu lesen aufhörte, resümierte meine Zuhörerin:

“Das ist interessant! Das gefällt mir.” 👀

Ich denke, hier spricht die erfahrene Aktenzeichen XY-Zuschauerin, die so manch andere Szene gewohnt ist 🤭

So wirklich von der besten Seite zeigt sich Gandalf bei der Berichterstattung über die Geschichte des Einen Rings und die Suche (mitsamt Verhör) nach Sméagol nicht. Seine unaufgeforderte Betonung, er müsse sich Frodo gegenüber erklären und das angedeutete Eingeständnis, Gollum gejagt und gefoltert haben zu lassen, lässt ihn trotz seiner ehrenhaften Ziele, nur so semi-gut dastehen. Er wirkt wie ein gar nicht allzu viel wissender Lehrmeister, dessen Defizite sichtbar werden könnten.

Die Erinnerungen an die Film-Trilogie von Peter Jackson hat doch mehr überprägt als ich dachte. Mir war überhaupt nicht mehr bewusst, dass Merry gar nicht mit von der Partie war, als die Hobbits zum ersten Mal einem Nazgûl begegneten. Nur Frodo, Sam und Pippin entkamen dem Schwarzen Reiter mit Müh und Not … und der Unterstützung der Elben, während Merry mit Fredegar Bolger bereits nach Krickloch vorgefahren waren.
Ein nicht unerheblicher Eingriff, aber nicht der letzte, in Tolkiens Geschichte.

Im Grunde ist der Weg zur Bockenburger Fähre das erste richtige Abenteuer des harten Kerns der Gefährten … wenngleich ein relativ harmloses. Hätte Tolkien mehr Symmetrie haben wollen, hätte er die erste Etappe nur von Frodo und Sam bestreiten lassen.

Aber schon hier hat Tolkien die das ganze Werk durchziehende Lebensweisheit eingewoben: Stelle dich deinen Ängsten frühzeitig, denn je mehr Zeit verstreicht, umso größer werden sie.

Elben scheinen nicht nur auf Hobbits Eindruck zu machen. Spontan antwortete meine Zuhörerin auf die Frage, wo wir gestern waren: Elben! In einer großen, gemütlichen Halle!
Respektable Leistung. Besser, sich an leicht bekifft wirkende Hochelben, als an alptraumhafte schwarze Reiter erinnern 😜

Da die Vorstellung der Charaktere zu Beginn womöglich etwas zu schnell für meine Zuhörerin war, gab es ein kleines Missverständnis über das Geschlecht von Merry … der Name ist auch wenig eindeutig. Nachdem aber geklärt werden konnte, dass alle handelnden Hobbits männlich sind … wie leider so gut wie alle Charaktere bei Tolkien … ging’s weiter in den Alten Wald, zum Weidenmann und zu Tom Bombadil mit seiner (für sein Alter!) etwas albern wirkenden Singerei …. vor allem, wenn man alles laut vorträgt 😜

Mir war gar nicht mehr gegenwärtig, dass viele Passagen im HdR ziemlich unheimlich und düster sind. Gerade wenn ich versuche die Stimme dem Inhalt (Alter Wald, Hügelgräberhöhen, Alpträume der Hobbits) anzupassen, klingt das manchmal nicht wirklich wie eine Einschlafgeschichte 😉 Aber, hey … der HdR is eben kein Ponyhof 😀

Die armen Hobbits kommen ja aus dem Horror gar nicht mehr heraus! Kaum waren sie dem Schwarzen Reiter, dem Alten Wald und dem Alten Weidenmann entkommen, schlittern sie in die Hügelgräber zu einem Grabunhold. Wären nicht Goldbeere und Tom Bombadil gewesen, wäre der HdR kürzer als “Der Hobbit” geworden.
Noch einmal versicherte ich mich bei Minni, ob es nicht doch zu gruselig sei, wenn sich die knorrigen Finger eines Grabunholds in einem Höhlengrab nach betäubten Hobbits strecken. Als Antwort kam von der Aktenzeichen XY-gestählten Zuhörerin: Nein. Das ist schön! 👀

Gestern wurde der 92. Geburtstag gefeiert und das Kuchenessen mitsamt warmer Schoki war schon recht anstrengend. Deshalb dachte ich mir: mach’s heute etwas kürzer. Beim Kapitelende angelangt, legte ich gerade den HdR beiseite, als … zack … sich das Geburtstagskind aufrichtete und protestierte: “Das war aber kurz.” So ging’s dann doch noch ein paar Seiten weiter 😉

Ich komme immer mehr zu dem Schluss, dass es keine gute Idee war, die Episode um Tom Bombadil und Goldbeere bei den Filmen von Peter Jackson herauszunehmen.
Obwohl sich die Hobbits bereits von Tom verabschiedet hatten, war der Eindruck, den bei meiner 92-Jährigen hinterlassen hat, so groß, dass alle anderen neu eingeführten Charaktere und der Grabunhold völlig zur Nebensache verkamen und kaum im Gedächtnis haften geblieben waren.

Die Nacht vor dieser Episode war im RL ähnlich durchwachsen, wie es die Hobbits im Tänzelnden Pony erlebten. Gut, bei uns waren es zwei nächtliche Unterbrechungen, hervorgerufen durch den versehentlichen Einsatz des Notrufknopfes und der daraus resultierenden Verschiebung des Tag-Nacht-Rhythmus mitsamt früh(!)morgendlichem Telefonat. Das hat aber dem Wunsch meiner Zuhörerin, wissen zu wollen, wie es weitergeht, keinen Abbruch getan und so ging es mit dem Überfall der Schwarzen Reiter auf Butterblumes Gasthof, dem Verrat von Handlangern des Bösen und einem so gar nicht heimlichen Überschreiten der Auenlandgrenze mit Verstärkung durch Aragorn und dem Pony Lutz weiter.

An manchen Stellen im HdR fällt es nicht leicht, einen angemessenen Cut zu machen. Angemessen für eine 92-Jährige, die danach ruhig einschlafen soll. Da hilft es nicht wirklich, dass sich die 4 Hobbits und Aragorn auf Amun Sûl befinden, während sich die Lage unvermittelt zuspitzt und im Kampf mit 5 Nazgûl am Kapitelende eskaliert 😱

Tolkien war bekanntermaßen kein Freund von Allegorien. Das, was allerdings die Verbindung der Erfahrungen und Gedanken der Leserin/ des Lesers mit seiner Geschichte angeht, die Anwendbarkeit (“applicability”), empfinde ich jedesmal wieder als sehr inspirierend und wohltuend. Gerade die Nazgûl können für so vieles stehen, das uns bedroht, vom Guten ablenkt und zum Bösen treibt. Die Beschäftigung bei der Pflege und Betreuung von Familienmitgliedern mit dem Alter und Krankheit gleicht oft genug einer traurigen Reise oder Flucht vor einer ausweglosen bzw. alternativlosen Situation. Man denkt, die alltägliche Pflege einer älteren Dame ist schon herausfordernd genug, wird dann aber immer wieder durch ungeplante Malheurs während der “Abendroutine” eines Besseren belehrt. Die Begriffe Morgen- und Abendroutine liest und hört man ja immer wieder bei sich überaus wichtig nehmenden Influencer*innen, bekommen aber bei der Homecare mit Einmalhandschuhen und menschlichen Grundbedürfnissen eine ganz, ganz andere Bedeutung. Wenn man dann noch die Herausforderung hat, ein weiteres Familienmitglied zum ersten Besuch beim Onkologen zu begleiten, verändern sich Prioritäten und die Einstellung zu den schönen Dingen ganz von selbst.
Entscheidend ist nicht, welche Ängste und Hindernisse man vor die Füße geworfen bekommt, sondern dass man sie nicht allein und immer mit einem Lächeln (oder wahlweise auch albernem Lied von Sam) zu überwinden versucht … wobei die Liedpassagen beim Vorlesen die eigentliche Challenge sind 😉

Es war im HdR selten so knapp. Fast wäre der Eine Ring in die Hände des Dunklen Herrschers gelangt. Erstaunlich siegessicher und leichtfertig setzten die Nazgûl ihre Überlegenheit aufs Spiel. Wieder einmal spielte ein Pferd, diesmal Asfaloth von Glorfindel, eine essentielle Rolle in der Rettung des Ringträgers.
Die rasante Jagd war beim Lesen so energiegeladen, dass ich meiner Zuhörerin nach dem dramatischen Cliffhanger am Ende des 1. Buchs noch ein paar wenige Seiten aus dem 2. Buch vorlesen musste, um sicherzustellen, dass es Frodo gut ging.

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