J.R.R. Tolkien – Der Herr der Ringe – Eine Vorlesereise (Viertes Buch)
von noosphaere · Veröffentlicht · Aktualisiert
Eine illustrierte Vorlese-Reise (Teil 4):
Der Herrn der Ringe als Vorleselektüre ist an sich bereits eine Herausforderung … vor allem an die/den Zuhörende*n 😉
Aber wenn die Zuhörende eine 92-Jährige ist, wird die Sache interessant.
Nach dem dritten Buch geht’s erstmal ziemlich düster und mühsam weiter und auch die Seniorin selbst steht vor gesundheitlichen Herausforderungen, die es zu meistern gilt.
Illustrationen zu "Der Herr der Ringe"
Quelle: Midjourney/ Ralf H. Schneider
Texte zu den einzelnen Etappen
Mit dem vierten Buch des “Herrn der Ringe” wird die Perspektive gewechselt und der Ringträger mit seinem treuen Gefährten stehen im Fokus. Auch wenn die Stimmung in den ersten Kapiteln ziemlich hoffnungslos und düster ist, lauscht meine 92-jährige Zuhörerin der Geschichte, wenngleich ich erahne, dass sie nicht alles immer mitbekommt. Das Präsentieren der hier gesammelten Midjourney-Illustrationen hilft ihr sehr, sich die Szenerie vorzustellen.
Viertes Buch
Nach längerer Pause und einigen Veränderungen des Zustands von Minni geht die Reise weiter. Minni war eine zeitlang krank und ist innerhalb weniger Wochen noch etwas unselbständiger geworden. Das Wichtigste ist momentan, sie wieder auf ein einigermaßen gesundes Level zu heben, bei dem der Husten, die Verdauungsproblematik, Hautentzündungen und ausreichendes Essen und Trinken ganz oben auf der Liste stehen. Aber Aufgeben ist keine Option … so wie für Frodo und Sam. Erfreulicherweise verbessert sich allmählich ihre Situation und sie kann wieder den Gute-Nacht-Geschichten aus Tolkiens Werk lauschen. Das 4. Buch des Herrn der Ringe beginnt allerdings nicht gerade hoffnungsvoll und aufmunternd. Triste Wanderungen durch karges Gebirge und modrige Sümpfe machen die Reise von Frodo und Sam überaus gefährlich. Nachdem Sméagol die Gefährten so lange im Verborgenen verfolgt hat, wird er von den beiden Hobbits überwältigt und von Frodo durch ein Versprechen zu ihrem Führer bis nach Mordor verpflichtet. Das macht einerseits die Reise weniger gefährlich, weil Gollum den Weg bereits einmal gegangen ist, andererseits misstraut vor allem Sam dem verschlagenen Wesen.
Interessanterweise ist es gleichgültig, wie lange ich vorlese … sobald ich das Buch zuklappe, wacht meine Seniorin aus ihrer “Zuhör-Starre” auf und fragt erstaunt: “Schon zu Ende?” 😉
So muss das sein 🙂
Frodo muss erkennen, dass er an den Toren von Moria nicht mehr weiterkommt und kalkuliert schon mit einer Gefangennahme, um überhaupt in die Nähe seines Ziels zu kommen, was so überhaupt nicht in Gollums Interesse liegt. Er lockt Frodo und Sam geschickt an einen Ort, wo er sich Hilfe zur Verwirklichung seiner ganz persönlichen Ziele erhofft. Auch wenn die Hobbits durchaus sehr skeptisch sind, erscheint der von Sméagol versprochene geheime Durchgang nach Mordor zumindest etwas weniger katastrophal, wie der Versuch, Morannon “einfach” zu durchschreiten.
Und so geht die Reise westlich des Ephel Dúath weiter gen Süden durch Ithilien und verschafft zumindest den Hobbits etwas Erholung, da diese Region zwar verwildert, aber noch nicht durch Sauron vollkommen zerstört ist und so leicht an eine Wanderung durch eine Wildnis des nordlichen Mittelmeers erinnert.
Zum Tag des Buches gibt’s etwas Lagerfeuer-Feeling auf der Wanderung durch Ithilien.
Die angenehme Wildnis Ithiliens lässt Sam unvorsichtig werden. Er macht Feuer, kocht Kaninchen (unter Sméagols Protest) und sieht endlich einen Olifanten. Frodo und Sam werden von Faramirs Schar in Gewahrsam genommen und verlieren vorläufig ihren Weggefährten aus den Augen. Unvermittelt geraten die beiden Hobbits in einen Überfall der Krieger von Gondor auf die Südländer aus Harad und trotz der latenten Gefahr, niedergetrampelt zu werden, hat Sam nichts Besseres zu tun, als sich staunend den Olifanten anzuschauen.🐘🐇
Währenddessen entdeckt meine Seniorin (mal wieder), dass jede Leistung des mobilen Pflegedienstes wohl Geld kostet, was in ihrer Welt eine Unverschämtheit ist und es kostet einige Erklärungen, dass die professionellen Pflegekräfte sie nicht aus reiner Herzensgüte betreuen … ganz im Gegensatz zu unsereins 😇
Nach einer turbulenten Woche (privat und beruflich) gab es für meine Seniorin zwar jeden Abend eine Dosis Herr der Ringe, aber weniger Illustrationen. Einerseits fehlte mir die Muße, mir passende Prompts auszudenken, andererseits musste ich feststellen, dass die Episode in Henneth Annûn eine Art Auszeit für Frodo und Sam waren, in der es wenig zu “sehen” gab.
Es war mir auch hier gar nicht mehr gegenwärtig, dass Faramir bei Peter Jackson eine ziemlich armselige Rolle spielen musste, während er bei Tolkien sehr stark, empathisch und als Anführer beschrieben wird, der für Frodo binnen eines Tages zu einem sehr guten Freund wurde.
Und dann kämpfte ich auch noch mit Midjourney bzw. mit meinem Unvermögen, die richten Prompts für die Bilder in meinem Kopf zu finden. Es war mir nicht möglich, das zerbrochene Horn von Boromir zu “finden” und auch das Fenster des Westens wurde nicht so, ich mir das vorstellte. Ein kleiner Seitensprung zun DALL-E half dabei etwas, aber auch nicht so wirklich.
Die Illustration vom Fische fangenden Sméagol im Verbotenen Weiher allerdings fand ich ganz passabel gelungen und versöhnte mich wieder etwas 😉
Und wieder einmal kommen wir zu einer Stelle im Herrn der Ringe, die nicht so wirklich als Gute-Nacht-Geschichte geeignet scheint. Die kurze entspannte Zeit im relativ unzerstörten Ithilien ist vorbei und Sméagol führt Frodo und Sam weiter nach Osten direkt vor die Tore von Minas Morgul. Gerade als sich die drei Wanderer erschöpft und beinahe betäubt den Stadttoren nähern, reitet der Anführer der Nazgûl, der Hexenkönig von Angmar mit einem riesigen Orkheer aus der Geisterstadt, um Minas Tirith zu überfallen.
Zum Glück nimmt es meine Seniorin sportlich und schläft trotz des düsteren Kapitels entspannt ein.
Der Aufstieg über den Pass Cirith Ungol nahm in meiner Erinnerung nur eine kleine Rolle bei der Reise gen Amon Amarth ein. Beim erneuten (Vor-) Lesen musste ich aber feststellen, dass die komprimiert erzählte Episode einen immensen Kraftakt für Frodo und Sam bedeutete. Auch wenn meine Seniorin auf Nachfrage, was Frodo denn da am Schicksalsberg eigentlich zu erledigen hätte, nicht mehr so wirklich wusste (sie meinte, er müsse ein Schwert in die Lava werfen … mmhm, auch interessant), blieb sie trotz düsterer “Bergsteigeranekdote” weiterhin tapfer bei der Sache.
Als ich mich dann ans Prompten machte, konnte ich mich vor lauter (für mich) interessanter Entwürfe gar nicht entscheiden 😉
Der vorläufige Höhe- bzw. Tiefpunkt auf dem Weg zum Schicksalsberg: Die Kämpfe Sams mit Gollum und Kankra, sein Sieg mit dem Ergebnis eines leblosen Frodo. Wieder einmal wurde mir klar, wie sehr Peter Jackson der Filmdramatik wegen ins Geschehen eingegriffen hat. Dass die Szene zwischen Gollum und Sam um die vermeintlich gestohlenen Lembasreserven auf der Treppe und der Streit zwischen Sam und Frodo, bei dem Sam der Lüge bezichtigt wurde, frei erfunden waren, fiel mir erst jetzt auf.
Die Ereignisse überschlagen sich während Sam all die Verantwortung für seinen Herrn und den Auftrag übernehmen muss. Und gerade seine selbstlose Liebe zu Frodo vermag das Unmögliche möglich zu machen. Zum einen besiegt er mithilfe Galadriels Phiole und Stich als nicht gerade heldenhaft ausgestatteter Hobbit das nach Sauron und dem Hexenkönig von Angmar wohl mächtigste Wesen in Mordor und täuscht alle Orkwachen am Pass.
Es war mir unmöglich, das Vorlesen vor der Stelle, als Sam erfährt, dass sein Herr noch lebt, zu unterbrechen und so wurde es diesmal etwas länger. Nicht, dass der Cliffhanger für meine Seniorin zu viel gewesen wäre … eher war ich es, der mit dieser “Ungewissheit” nicht hätte ruhig einschlafen können 😉