Melanie Vogltanz und Stefan Cernohuby – Im Auge der Leere

Kurz-Rezension:

Mit „Im Auge der Leere“ habe ich seit Langem mal wieder eine Space Opera gelesen. Es mag sogar schon über 35 Jahre her sein (ich erinnere mich noch an das ein oder andere Lando Calrissian-Buch) … und die gerade im Plan9 Verlag erschienene Ko-Produktion von Melanie Vogltanz und Stefan Cernohuby war genau das Richtige, um diesem Genre wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Zumal die Beteiligung von Melanie Vogltanz (bisher hatte ich noch nicht das Vergnügen, etwas von Stefan Cernohuby zu lesen) eine die Diversität wertschätzende progressive Phantastik erwarten ließ.

Midjourney Prompt: a tiny space glider with two men flies over a desert landscape with rocky mountains and a patch of forest next to a canyon. on the horizon lie the ruins of metal buildings. style of Toshio Shibata. science fiction. high resolution --v 5.2

Ich denke, ich spoilere nicht, wenn ich hier schreibe, dass diese Erwartung nicht enttäuscht wurde.

Weshalb ich in den 80ern mit Space Operas aufhörte, lag womöglich auch an den damals immerwährend durchgekauten Klischees von vor Testosteron strotzenden cis-männlichen Helden und Antihelden, die als Hauptfiguren die weiblichen Nebencharaktere vor ebenso männlichen und vor Testosteron strotzenden Bösewichten oder auf die vollständige Vernichtung der Menschheit (und dem ganzen Rest) ausgerichtete Monster-Aliens retteten oder sie “erbeuteten” (*gähn*). Mit Stereotypen hat der Roman von Vogltanz und Cernohuby in der Tat so gar nichts zu tun, es sei denn, man zählt das Brechen mit eben jenen dazu. 

Auch wenn die von der überaus einflussreichen und mächtigen Weltraum-Organisation Oculus und deren primus inter pares Aelianus zusammengestellte Eliteeinheit nur vier bis fünf Individuen zählt, repräsentiert sie eine überaus vorzeigbare Diversität in Sachen Herkunft, Werdegang, Geschlecht und sexueller Orientierung.

Midjourney Prompt: tall man with blond curls, ageless face, 50 years old, resembles elric of melnibone, angular sought with cold eyes, full body, futuristic noble cloth clothes. in a spaceship --v 5.2

Als Leser*in wird man über eine sehr gefällige und der jeweiligen Situation angepasste Sprache in eloquenter Weise mit gutem Tempo durch die Geschichte geführt. Mit Charme und Witz verstehen es die beiden Autor*innen durch spannende Dialoge und gute Situationsbeschreibungen einen in die Handlung eintauchen zu lassen, so als ob man Teil der Crew wäre.

Was mit einer Präventivschlag-Mission gegen den Einsatz einer übermächtigen Waffe beginnt, entpuppt sich mehr und mehr zu etwas völlig anderem, bei dem vor allem die der Crew bewussten und unbewussten Besonderheiten, Teil des großen Plans sind. Wo zu Beginn die einmaligen Fähigkeiten in Kampf- und Waffenkunst, Intelligenz, Stärke und Taktik im Vordergrund stehen, arbeiten Vogltanz und Cernohuby ganz allmählich und sehr behutsam die sich aus den Viten der Protagonist*innen ergebenden Motive und Traumata heraus. Die Verbindung und die sich im Laufe der Geschichte verändernde Priorisierung von Wünschen und Zielen, machen aus den anfangs eher grob gezeichneten Figuren, nach und nach komplexe Geschöpfe, die in keine Schublade passen bzw. von einer in die andere springen. Allerdings ist es nicht so, dass die toughen Gestalten immer menschlicher werden, eher entfernen sie sich von allzu menschlichen zerstörerischen Eigenschaften, da im Laufe der Geschichte immer mehr durchscheint, dass die wahren Monster unter den Menschen zu finden sind.

 

Midjourney Prompt: a humanoid man with shiny bluish scales and yellow eyes sits at a computer terminal in a spaceship --v 5.2

Auch wenn es die stetig ansteigende Emotionalität der Figuren mir erleichterte, sie zu verstehen und mich mit ihnen zu identifizieren, empfand ich es als ein klein wenig irritierend, dass sie immer impulsiver wurden und irgendwie auch unprofessioneller. Auch wenn die hier beschriebene Mission für alle Beteiligten sehr besonders und auch extrem wurde, war für mich der immer weiter ansteigende Grad an Irrationalität und Selbstzweifel bei derlei Söldner*innen etwas schwierig.

 

Midjourney Prompt: two modern gladiators with high tech armour fight in a cyberpunk arena, wide angle, aerial view, dark atmosphere --v 5.2

Das Weltraum-Setting, in dem eine technologisch extrem weit entwickelte Zivilisation, eine durchaus mächtige und skrupellose Ordnungskraft, eine geheimnisumwitterte, womöglich untergegangene Spezies und der ganze mehr oder minder vermischte große Rest die Galaxien bevölkert, birgt immens hohes Potential an konstruktiven und destruktiven Erzählsträngen, die „Im Auge der Leere“ angerissen werden.

Genau da muss ich allerdings einen „Ich-Vermisse-Etwas“-Punkt anbringen. Es hätte durchaus noch mehr Hintergrund-Details zur Zivilisationsgeschichte der ein oder anderen Spezies geben können. Eigentlich erfährt man weder allzu viel über die Technokraten noch über die Vinsha, was sehr bedauerlich ist, denn ich vermute mal, dass sich aus diesen Hintergrundinformationen noch mehr Geheimnisse und Spannungsbögen hätten erzeugen lassen können.

 

Midjourney Prompt: a demolished spaceship at the top of a deep canyon. burn marks from the emergency landing on the rock. desert landscape with a small forest, style of Toshio Shibata, science fiction, high resolution --v 5.2

Der Twist oder besser die Twiste gegen Ende lassen das während der 340 Seiten sowieso schon immer wieder hochgedrehte Tension- und Tempo-Meter noch einmal heftig ausschlagen und bieten mit gut platzierten Cliffhangern nicht ungeschickt jede Menge Ansatzpunkte für nicht nur ein Sequel 😉

 

Midjourney Prompt: ephemeral humanoid figure made of blue light, like a blue fog, semi-transparent, in a machine room with futuristic technical devices, machines --v 5.2

 

„Im Auge der Leere“ hat mich auf jeden Fall abgeholt und mich mit dem Space Opera-Genre nach über drei Jahrzehnten wieder versöhnt. So, finde ich, sollte die Zukunft des Genres fortgeführt werden und ich freue mich sehr auf eine Fortsetzung.

 

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