Wer kennt das nicht? Da liest man ein Buch, hat tausende Bilder im Kopf während des Lesens, man taucht ein in eine fremde Welt und fängt an die Protagonist*innen zu verstehen, zu kritisieren und zu mögen … und dann … endet das Buch.
Wenn das Buch gut war, ist es wie eine Art Trennungsschmerz einer Urlaubsbekanntschaft. Man weiß ziemlich sicher, dass man das Erlebte nie wieder erleben wird. Wenn das Buch mies war … neige ich inzwischen dazu, darüber nachzudenken, es abzubrechen, was sonst so gar nicht meine Art war, aber ich komme wohl in ein Alter, in dem Zeit immer kostbarer wird. Zum Glück handelt es sich bei den Büchern der Vögte bisher immer um gute Bücher und ich bin guter Dinge, dass das so bleiben wird.
So war’s dann auch mit dem Science-Fiction-Roman Wasteland. Also mit “so” meine ich, es war sehr gut und es gab diesen besagten Trennungsschmerz. Zum Glück sickerte von den beiden Autor*innen ziemlich schnell durch, dass es eine Fortsetzung geben würde, was den “Schmerz” alsbald in Vorfreude verwandelte. Aber wie es eben so ist, so ein Roman will erst einmal geschrieben, lektoriert und dann verlegt werden … und das dauert. Aber da die Vögte sehr fleißig sind, musste ich nach Wasteland nur ein kurzes Jahr warten und der Fortsetzungsroman namens Laylayland wurde veröffentlicht (Oktober 2022).
Sofort nach den ersten Seiten waren wieder die alten Bilder von Wasteland da und schnell kamen neue hinzu. Da ich vor Kurzem die Plattform Midjourney kennenlernte und fasziniert war/bin von der durch KI erschaffene Illustrationen (von Kunst möchte ich hier nur ungern sprechen), entschied ich kurzerhand mich mit Fan Art (eigentlich meine ich ja Illustrationen) zu versuchen, da die Bilder Gestalt annehmen wollten. So blubbern/blubberten während des Lesens die hier gesammelten Bilder … aus meinem Kopf, durch Discord zur KI und wieder hinaus.
Die Reise von Laylay, Zeeto und der kleinen Mtoto führ nach Osten … genauer gesagt nach Polen. Dort könnte ein Schwester-Labor, das dem im Ödland ähnelt die alles entscheidende Lösung haben: Das Heilmittel gegen die Wasteland-Seuche.
Was die kleine Patchwork-Familie dort dann aber findet, ist nicht das, was sie erhofft hatte.
Auch wenn die Reise nach Polen schon gefahrvoll genug ist, so müssen sich Laylay und Zeeto dort angekommen völlig neuen Gefahren stellen, müssen sich mit sich, ihren Beziehungen und ihren Vergangenheiten auseinandersetzen und lernen dabei, was es heißt, sich aufeinander verlassen zu können.
Es geht in aller Zeitnot nicht mehr nur um das Heilmittel für Zeeto und/oder alle von der Seuche betroffenen Menschen, sondern um eine grundlegende Weichenstellung der Menschheit als solche. Was aus reiner Machtgier und Machterhaltung zu einem Gottkomplex und dann in die globale Katastrophe führte, könnte durch ein Umdenken zum Miteinander und durch die Unterstützung einer neuen “Gottheit” zu einem Neuanfang führen.
Laylay und Zeeto wollen sich nicht damit zufrieden geben, dass der postapokalyptische Rückfall der Menschheit in lose verstreute Siedlungen, zum Teil beherrscht, zum Teil bedroht durch marodierende Gangs, das letzte Kapitel der Erde sein soll.
Sie setzen Schritt für Schritt alles daran, einer Lösung für sich und alle anderen näherzukommen. Dabei erleiden sie immer wieder Rückschläge, überspringen durch überraschend glückliche Umstände und Begegnungen aber bezeiten auch ein paar Schritte. Sie lernen, was wirklich zählt und überwinden dabei so manche egoistischen Reflexe, was sie zu besseren Wesen, zu wahren Hopern macht.
Die Geschichte von Laylay und Zeeto geht mit dem Fortsetzungsroman in die nächste Runde – geht einen weiteren Schritt. Dass der Weg das Ziel ist und einzelne Zwischenziele den harten Weg erträglich machen, wird bei Judith und Christian Vogt zu einem Leitmotiv und zu einer Held*innen-Reise der anderen Art.
Gerade weil die hier verfasste Phantastik so sehr nah dran an der weitaus beängstigenderen Realität ist, macht sie so wertvoll. Sie spielt mit bekannten Motiven aus der Science-Fiction und Fantasy sowie stilistischen Mitteln wie der mittelhochdeutschen Doppelwegstruktur und Heldenreise und verbindet sie mit neuen Ideen und differenzierten Charakteren zu einer progressiven Phantastik.
Denn wie schon in Wasteland, Anarchie Déco, Schildmaid und vielen anderen Geschichten der beiden Vögte nicht die Abgrenzung zum “Normalen” (was immer das auch sein mag) oder der Fokus auf das Andere Leitmotive sind, versprechen die Geschichten keine technologische, wissenschaftliche, magische oder mythische Lösung, sondern eine Hoffnung.
Dieses andere (anders ist gut!) Erzählen von neuen Mythen scheint mir ein wichtiger Baustein für unser auf die Zukunft ausgerichtetes Denken der realen Gegenwart zu sein. Wir benötigen eine Vorstellung von dem, wie unsere Zukunft aussehen soll, um jetzt daran arbeiten zu können, diese zu verwirklichen.
Was ich aus Laylayland mitnehme:
anders sein ist mehr als okay … es ist gut;
die Suche nach Gemeinsamkeiten ist wichtiger als das Feststellen vom Anderssein;