James A. Sullivan: Das Orakel in der Fremde

Teil 2 der Chroniken von Beskadur “Das Orakel in der Fremde” von James A. Sullivan ist eine exzellente Fortsetzung des ersten Teils “Das Erbe der Elfenmagierin“.

“Nicht die Zeit heilt die Wunden, sondern die Gemeinschaft.” `(S. 319)`

Die Geschichte überwindet mühelos drei Jahrzehnte nach dem Ende von Teil 1, schließt völlig natürlich an und entfaltet in Teil 2 all das, was zuvor gesät worden ist … und mehr.

Es war für mich eine echte Herausforderung nach dem Beenden des ersten Bandes im letzten Jahr, auf die Veröffentlichung des zweiten zu warten, aber hey … was soll ich sagen: Es hat sich mehr als gelohnt. Es fühlte sich ein wenig so an, als ob man nach einer langen Reise wieder zurück nach Hause kommt – wie eine Heimkehr.

Ich mag zwar wie ein verdammter Autor_innen-Groupie klingen, aber ich kann wirklich nur Gutes über das Buch sagen.
Die Geschichten von James A. Sullivan sind eine etwas andere Art von Fantasy als die, mit der ich meine Jugend verbrachte. Doch trotz oder gerade wegen des empathischen Schreibstils fühlt es sich so an, wie damals, als man als Kind zum ersten Mal mit Phantastik in Kontakt trat … nur besser 😉

Man merkt erst, wie zynisch man im Laufe der Jahre geworden ist, dass einem die Bekundungen bedingungsloser Freundschaft und Liebe, anfänglich irgendwie verdächtig erscheinen. Da kann doch etwas nicht stimmen! So viel Harmonie, Gemeinschaft und rücksichtsvolle Kommunikation kann man doch nicht konsequent in einer Handlung durchziehen. Da MUSS doch ein Knall kommen … Intrigen, Missgunst, Rache.
Doch weit gefehlt. Sullivan lässt in seiner Phantastik das real werden, was im echten Leben nur allzu sehnsüchtig vermisst wird. Er bietet für mein Dafürhalten in beiden Bänden sogar eine Blaupause für Toleranz und Rücksichtnahme.

Allein schon, wenn im echten Leben die Kultur des Bedankens nur etwas häufiger Einzug fände, wären viele Probleme unserer Gesellschaft einfach nicht vorhanden.
Ich persönlich wäre froh, etwas von der Leichtigkeit, mit der die Charaktere anderen deren Missetaten und Dummheiten vergeben können, den eigenen Alltag übertragen zu können.

Sullivan lässt seine Protagonist_innen zwar eine klassische Quest bestehen, doch bietet er dabei so viel mehr Facetten an, als man in klassischer Fantasy gewohnt ist. Da ist nicht nur der männliche (selten weibliche) Held, der alleine oder in der Gemeinschaft mit Kraft oder/und Magie das Böse besiegt und am Ende das Mädchen (den Jungen) bekommt oder sich damit begnügt, die Welte(en) gerettet zu haben … nein, bei ihm geht es daneben noch um Gemeinschaft und Toleranz dem Anderen gegenüber. Und er tut dies dankenswerterweise, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger den Lehrmeister zu spielen. Er bastelt auch nicht eine Spiritualität zusammen, die ausschließlich in der Geschichte funktionieren kann. Im ersten wie auch zweiten Band ist zwar viel Spiritualität eingeflochten, aber sie geht über den Roman hinaus und bietet Stoff zum Nachdenken fürs echte Leben.

Dabei wechselt er durch Tagebucheinträge geschickt die Erzählerperspektive und lässt seine Charaktere durch die Sinne anderer “blicken”. Dabei erhalten die Figuren nicht nur Informationen, sondern verstehen auch immer ein bisschen mehr von der Sicht der/des anderen. Als kleines Schmankerl, erfährt die Karte des ersten Bandes zudem eine hübsche Erweiterung. Das gefällt vor allem meiner kartographilen Seele ganz besonders.

“Das Orakel in der Fremde” ist, wie schon “Das Erbe der Elfenmagierin” zuvor, eine Fantasy-Wohlfühlgeschichte (mit, wie ich finde, gelungenen Einsprengseln von Science-Fiction-Elementen) ohne Pathos, sprachlich wunderbar erzählt, voller Empathie. Mit seinem Weltenbau, illustren Reisepassagen, rücksichtsvollen Dialogen, erotischen Abschnitten, detaillierten Kampfszenen und in sich schlüssigen Abenteuern liest sich seine Geschichte überaus abwechslungsreich: mal schön, mal interessant, mal langsam, mal schnell, mal entspannend, mal voller Spannung.
Ich weiß zwar nicht, wie ich damit umgehen soll, dass da wohl kein dritter Band folgen wird … aber hey, das Leben ist eben kein Elfenpfad.

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