J.R.R. Tolkien – Der Hobbit – Eine Vorlesereise

Eine illustrierte Vorlese-Reise:

Dies ist keine Rezension, weder im engeren noch im weiteren Sinne. Dennoch möchte ich hier meine Gedanken und Erfahrungen von einem kleinen Lese-Experiment niederschreiben.

“Der Hobbit oder Hin und zurück” von J.R.R. Tolkien bedarf sicher keiner neuen Rezension, ganz sicher nicht von mir, zumal es schon mehrere Jahrzehnte her ist, dass ich dieses Werk das erste Mal in Händen hielt. Bekanntermaßen erlangte das in der breiten Öffentlichkeit bereits schon leicht in Vergessenheit geratene Werk Tolkiens durch die Verfilmungen des “Der Herr der Ringe” und später dann auch des “Hobbits” durch Peter Jackson wieder hohe Popularität. Die meisten werden ihr “Wissen” über Hobbits aus diesen Filmen und inzwischen auch Serien gezogen haben. So sehr ich die filmische Umsetzung damals wie heute mag, begrüßte und genieße, so wichtig war es für mich, mich noch einmal der Quelle, den Büchern zu widmen. 

Aber der SUB neuer Phantastik-Publikationen wuchs und wuchs, von den zu lesenden Texten im beruflichen Kontext ganz zu schweigen. So rückte die Idee, den “Hobbit” oder den “Der Herr der Ringe” noch einmal zu lesen stets weiter und weiter in den Hintergrund … bis wir den spontanen Entschluss fassten, unserer damals 91-jährigen Pflegeperson abends etwas vorzulesen. Zuerst dachten wir an einfache “Kost” in Form von senior*innengerechten Büchern … die tatsächlich nicht wirklich in großer Zahl in Bibliotheken zu finden sind … doch als ich so die Titel betrachtete, die alles andere als verheißungsvoll waren, schnappte ich mir die erstbeste Ausgabe des “Hobbit” aus meinem Regal und startete das Experiment.

Meine betagte Zuhörerin war eigentlich noch nie wirklich eine Freundin der fiktionalen Literatur, sondern interessierte sich bis dato eher für Biografien oder schöne Geschichten über echte Erlebnisse von echten Menschen (wie zum Beispiel die Bücher rund um James Bowens Katze Bob). So rechnete ich im Grunde schon damit, dass sich ihre Begeisterung in überschaubaren Grenzen halten würde … aber, hey … der Vorleser entscheidet und … weglaufen konnte sie mir auch nicht 😉

So startete zum Jahresbeginn 2024 für mich zum wiederholten und für Minni zum ersten Mal die (Vor-)Lesereise nach Tolkiens Mittelerde. Und was soll ich sagen … es gefiel ihr von der ersten Seite an und sie erlaubte mir, trotz des bisher unbekannten Genres, immer weiter vorzulesen. Spoiler: Und es blieb nicht beim “Hobbit” 😉

Da ich begeisterter (oder nennen wir das Kind beim Namen: obsessiver) Hobby-Prompter auf der GenAI-Plattform Midjourney bin, entschloss ich mich, parallel die KI zu Illustrationen zu bemühen, die in etwa das widerspiegeln, was ich mir so während des Lesens vorstellte und postete es auf Instagram, Threads und Mastodon.

Um (vor allem für mich) einen Überblick über alle Illustrationen zu behalten, legte ich nun diese kleine, aber feine Sammlung noch einmal hier an.

Ich hoffe, die/der ein oder andere findet die Bilder ansprechend und wird animiert im besten Fall, den eigenen Senior*innen im Familien- oder Bekanntenkreis auch einmal eine kleine oder auch große Geschichte vorzulesen.  

Illustrationen zu "Der Hobbit - Hin und wieder zurück"

Quelle: Midjourney/ Ralf H. Schneider

Texte zu den einzelnen Etappen

Es ist nie zu spät für Tolkiens Werk 😜

Ich hab begonnen, “Der Hobbit oder Hin und zurück” meiner bald 92-jährigen Pflegeperson vorm Einschlafen vorzulesen und was soll ich sagen … sie kann nicht genug davon bekommen und rief schon mittags an, ich könne dann vorbeikommen und weiterlesen 🤭

(hier versagten gleich zu Beginn mein Prompt-“Künste” bei Midjourney und erst DALL-E half mir, ein einigermaßen passendes Bild zu erzeugen)

Ich wusste gar nicht mehr, wie anstrengend es sein kann, verteilte Rollen von drei Trollen, Zwergen, einem Hobbit und einem Zauberer zu sprechen.

Nachdem Bilbo, die Zwerge und Gandalf das Troll-Trio überwunden haben, schlief Minni glücklich ein und ich war heiser 😋

Und als die Zähne geputzt, das Nachthemd angezogen und der Nachttrunk getrunken war, setzte die Gemeinschaft von Zwergen, einem Hobbit und einem Zauberer ihre Reise fort. Über schlechte Pfade und unbekannte Gegenden gelangten sie schlussendlich nach Bruchtal zu Elrond. Dort ruhten sie sich zwei Wochen bei den Elben aus und zogen schweren Herzens weiter gen Osten.

Schon bald gelangten sie in die Nebelberge und dort in ein furchtbares Gewitter, das mehr als ein normales Gewitter war. Gigantische Bergriesen warfen mit Felsen um sich, während es stürmte, blitzte, donnerte und aus Kübeln goss.

Es war nicht das letzte Mal, dass sich Bilbo in seine behagliche Höhle zurückwünschte.

Auch Minni war von den Strapazen der Gemeinschaft so müde geworden, dass auch sie bei den letzten Zeilen langsam einschlief, aber jedesmal, wenn ich zu lesen aufhörte, öffnete sie erwartungsvoll die Augen 😉

Obgleich das Abenteuer der Gemeinschaft aus Zwergen, einem Zauberer und einem Hobbit bereits weiter vorangeschritten war und Bilbo ungewollt von einer unangenehmen Situation in die nächste stolperte, war für Minni die letzte Stelle im Buch, an der wir zuletzt unterbrochen hatten, die, in der eine vergnügliche Gruppe hungriger und durstiger Zwergen in einer gemütlichen Hobbithöhle mit Kuchen und Bier beisammen saß.
Manchmal sind das Wichtigste in einer Geschichte die einfachen Dinge 😉

Die Phantasie ist schon eine merkwürdige Sache. Jede*r fasst Gehörtes anders auf und verarbeitet die Information zu neuen Bildern und Geschichten im eigenen Kopf.

Für Minni war es nach der Episode vom Vortag völlig klar, dass der von Bilbo gefundene Ring andere Wesen in Stein verwandeln könne … auch interessant … und kann schon von sich behaupten, er/sie wisse alles über Zauberringe 😉

Mir war gar nicht mehr gegenwärtig, dass sich die Episode mit den Wargen und Orks östlich des Nebelgebirges, als die Reise-Gemeinschaft gen Einsamen Berg von den Adlern gerettet wurde, so sehr von der Jackson-Trilogie unterscheidet. Was in der Geschichte fast schon unspektakulär verlief, bekam durch die Verfilmung einen ganz schönen Action- und Drama-Boost.
Aber ich glaube, Minni gefiel das Original auch nicht schlecht.
Sobald wir mit dem “Hobbit” durch sind, müssen wir unbedingt mal die Filme anschauen. Mal sehen, an was sie sich noch errinnern kann und ob sie die Unterschiede bemerkt 😉

Inzwischen sind wir beinahe an der Hälfte vom “Hobbit” angelangt. Sehr tapfer, meine fast 92-jährige Zuhörerin 👏
Auch wenn ich nicht glaube, dass alles, was ich da so von Bilbos Abenteuern erzähle, auch wirklich zur Gänze wahrgenommen wird, etwas scheint jeden Abend dann doch hängenzubleiben. Vom Vorabend schien besonders der etwas animalisch auftretende Beorn Eindruck hinterlassen zu haben (“Der Mann, der so laut war.”). Vielleicht hab’ ich beim Sprechen der Rolle des Halb-Bären die Sache doch etwas zu ernst genommen 😉

Der Düsterwald, Teil 2 … und die Probleme der Zwergengemeinschaft mitsamt Bilbo nehmen kein Ende. Allerdings erweist sich der Mut und die Verwegenheit des Hobbits größer als Bilbo selbst vermutet hätte. Mithilfe des Rings und seines Schwertes gelingt ihm die Befreiung der Zwerge, nur um sie in die Gefangenschaft der Waldelben wiederzufinden. Eine wirklich unerfreuliche Episode, die ihr Ende noch nicht erreicht hat und noch eng, nass und kalt werden sollte.

Es hat geholfen, am Vorabend meiner Zuhörerin die Aufgabe zu stellen, sich zu überlegen, wie es die Zwerge und Bilbo wohl schaffen werden, mit Fässern aus dem Verlies des Waldelbenkönigs zu gelangen. Ohne lange nachzudenken, antwortete sie mir auf die Frage hin, wo wir beim letzten Mal gewesen sind, und schilderte mir die Szene im Keller des Palastes an der Falltür zum Bach.
Nach einem sehr wilden, kalten und nassem Ritt mit den Fässern gelangten die Gefährten mehr tot als lebendig zum Langen See und in die Seestadt. Thorin gab sich dem Bürgermeister der Stadt zu erkennen und erfüllte so die alte Prophezeiung vom König unter dem Berg. Endlich wieder mit gefüllten Mägen einzuschlafen und mit sauberer Kleidung zogen die Abenteurer mit Unterstützung der Seestadtbewohner nach zwei Wochen wieder zuversichtlich weiter … nur Bilbo quälten große Sorgen.

Eine deprimierende Episode des Abenteuers: Das Hochgefühl in der Seestadt war verflogen, die Ruinen von Thal zeugten von der Endlichkeit einer Hochkultur und eine Gruppe von erschöpften Zwergen vermochte es nicht, die Tür ihrer Vorfahren zu öffnen, um ihrer Nemesis zu begegnen.
Nur der wortwörtliche Hoffnungsschimmer bei Sonnenuntergang am Durinstag riss kurz vorm Schlafengehen das Ruder noch einmal herum und brachte Minni dazu, Hoffnung für die Abenteurer zu schöpfen.

Offenbar hat das Öffnen des verzauberten Seiteneingangtores am Einsamen Berg auf Minni mächtig Eindruck hinterlassen, denn sie wusste sofort, dass wir beim letzten Sonnenstrahl und seiner Wirkung auf das Schlüsselloch stehengeblieben waren.

Dramatisch ging es dann mit dem zuerst noch schlafenden Smaug und dem rätsellastigen Dialog mit ihm und Bilbo weiter.

 

Die Zwerge scheinen am Ziel angekommen zu sein, doch der Verbleib des Drachens ist noch ungewiss.
Thorin sucht das, was Bilbo bereits gefunden hat und eine kleine Lüge keimt langsam im Verborgenen.
Heute Abend offenbart sich vielleicht, ob des Drachens oder der Zwerge Schicksal eintreffen wird.

Großes Vor-Finale des Buchs: Smaug zerstört die Seestadt und Bard rettet die Menschen, die übrig geblieben sind mithilfe der Information einer Drossel.
Erstaunlich realitätsnah erzählt Tolkien, wie schnell Menschen von einer jubelnden Menge zum Mob werden können, wenn nur der “richtige” intrigante Zwietrachsäer (Bürgermeister) die Führung als Brandstifer im übertragenen Sinn übernimmt.

Die ganze Geschichte rund um Smaug und dem Schatz im Einsamen Berg wäre ohne die Drossel völlig anders verlaufen. Eigentlich gebührt ihr ein Ehrenplatz im “Cast”.

Ein heftig umstrittener Aspekt bei Tolkiens Werken sind die umfangreichen Landschaftsbeschreibungen. Was für die einen langatmig und nervig ist, ist für andere interessant und für die Handlung unabdingbar.
Die Beschreibung der Schlacht der Fünf Heere zum Ende des “Der Hobbit” schien für meine fast 92-jährige Zuhörerin eher semi-interessant zu sein und ich fragte nicht nur einmal nach, ob sie noch wach sei … was sie aber nach einer kleinen Pause mehrfach bejahte. Ich glaube ja eher, sie wachte durch meine Frage wieder auf 😉

Zum Ende einer guten Geschichte wie “Der Hobbit” zu gelangen, erzeugt widersprüchliche Gefühle: Freude über die bestandenen Abenteuer der Charaktere; Trauer über ihre erbrachten Opfer; Bedauern, nun nichts mehr von ihnen lesen zu können; Stolz, es bis zum Ende geschafft zu haben; Vorfreude, nun mit einer noch besseren Geschichte weitermachen zu können … denn “Der Herr der Ringe” wartet schon mit seiner erste Seite 😉