Jol Rosenberg – Etomi – Aufbruch

Kurz-Rezension:

 

Midjourney Prompt: several giant domes composed of triangles, a dystopian landscape, ruins, destroyed cities, burnt forests, desert, hd, very detailed, satellite view --ar 16:9 --style raw

“Etomi – Aufbruch” von Jol Rosenberg ist die Fortsetzung des dystopisch-utopischen Romans “Etomi – Erwachen“.

"'Das hier ist keine Falle' 'Sicher?' 'Nein.'" (S. 376)

Etwas anders als sonst, begann ich dieses Buch, den zweiten Band von Jol Rosenbergs Etomi-Erzählung.
Nachdem mich am Vortag Migräne plagte und ich früher als sonst ins Bett gegangen war, weckte mich unsere pflegebedürftige Seniorin um 4:40 Uhr, weil sie dachte, es wäre an der Zeit, dass sich jemand um sie kümmern möge. Natürlich war es für den Tagesbeginn etwas zu früh und nach einer kurzen Überzeugungsansprache in einem mehr oder minder schlaftrunkenen Zustand, kroch ich wieder ins Bett. Da ich schon mal wach war und der Versuch, mich unauffällig wieder ins Land der Träume zu schubsen, nicht von Erfolg gekrönt war bzw. kläglich scheiterte, beschloss ich, Jols Etomi-Erzählung mit “Etomi – Aufbruch” fortzusetzen, nachdem mich der erste Band “Etomi – Erwachen” sehr begeistert hatte und mich in so manche gedachte und auch noch nicht gedachte Erinnerung versetzte.
Dass der erste Teil eine Fortsetzung haben musste, war mir völlig klar und so freute ich mich drauf, wie es mit Lea, Nori und Josa weiterging und wer sie sonst noch auf ihrem Weg durch bekannte und unbekannte Lebensräume begleiten würde … und letzten Endes, was und wo Etomi ist.

Wie so oft, konnte ich mich einem Roman nicht in der Kontinuität und Ernsthaftigkeit widmen, die er eigentlich verdient hat.

"Ihre [Josas] Gedanken rasten. Keine sonderlich schlauen Gedanken. Sie bestanden größtenteils aus einem Wort: Scheiße. Scheiße. Scheiße!" (S. 335)
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So muss ich gestehen, dass ich nach den ersten Seiten des Romans eine Pause einlegte, die dem Eintauchen in die Handlung nicht gut tat. Der Wunsch, den Roman während des Urlaubs fortzuführen und womöglich zu Ende zu lesen, hat sich leider nicht erfüllt und so waren die Pausen zwischen den Lesephasen so lang, dass ich ab und an den Faden verlor. 

Zum einen erfordern die variierenden Handlungsstränge der Hauptcharaktere volle Konzentration und zum anderen ließ mich die Wahl einer zumeist auf das Wichtigste reduzierten Sprache, bei einer naiv-leichten Art zu lesen, zu der ich gerne neige, immer wieder in Gedanken abdriften, die nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun hatten. Ich bin eben ein Gelegenheits-Zwischendurchmal-Manchmalauchnurganzkurz-Leser, was einer so komplexen Erzählung nicht wirklich gut tut. So verlor ich leider im zweiten Drittel des Bandes oft den Zusammenhang, freute mich dann aber im letzten Drittel, dass ich wieder ausreichend Zeit am Stück fand, um zur Geschichte und den Handlungssträngen zurückzufinden.
Wenn ich eine Aufgabe habe, wie beim Vorlesen für unsere pflegebedürftige Seniorin (#diechronikeneinesvorlesers), scheine ich mehr Disziplin aufzubringen. Vielleicht sollte ich mir auch beim “normalen” Lesen einen stringenten Plan machen.

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Die Aufgabe, der sich Jol Rosenberg gestellt hat, nämlich mehr als nur einen Handlungsstrang zu erzählen, weil eben die Vielfalt der unterschiedlichen Lebensweisen und die gegenseitige Akzeptanz sowie Verständnis füreinander entscheidend für ein tolerantes Miteinander ist, hält en konsequent durch.

Jol Rosenberg ist es wichtig, was en zu sagen hat und wie en es sagen möchte. Die Ernsthaftigkeit zieht sich durch alle Dialoge und Beschreibungen zwischenmenschlicher (und -nichtmenschlicher) Begegnungen.
Auch wenn ich mir noch mehr Szenenbeschreibungen gewünscht hätte, ist die Wahl von Zeit und Ort der Handlung, wie meiner Meinung nach gute Science-Fiction sein sollte, gar nicht so wichtig, da es eigentlich um die Gegenwart geht, die lediglich einen Spiegel mit etwas Phantastik-Zauberstaub benötigt, um auf Missstände, aber auch gesellschaftliche Ziele hinzuweisen.

"Ein prüfender Blick traf Josa. 'Bist du immer so pessimistisch?' 'Nur in aussichtslosen Situationen' Josa lachte bitter. Ich klinge wie eine Parodie meiner selbst." (S. 337)

Wir richten uns oft sehr bequem in unseren Nischen ein, die wir nach außen hin verteidigen und nah innen schlecht reden. Wir wollen gar nicht sehen, was da draußen, jenseits der “Kuppeln” passiert oder uns gar der Verantwortung stellen, dass wir unseren Teil zum Ganzen beizutragen haben. Sich auf vorhandene Strukturen (oder zukünftige KIs) zu verlassen, ist zwar sehr bequem, aber zumeist auch von sehr geringem Erfolg gekrönt.

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So gesteht Jol den Charakteren ihre ganz persönliche Wandlung und Zweifel zu, an der sie beinahe zerbrechen und es eine ihrer großen Herausforderungen ist, mit dem Verlust von Träumen und fragilen Komfortzuständen klarzukommen, ohne aufzugeben.

Nicht eine, sondern viele Sichtweisen/Wahrheiten/Lebensweisen erhalten schlussendlich das ganze System aufrecht. Je weniger Vielfalt und je weniger Verbindung wir Lebewesen miteinander und mit der Natur haben, umso sicherer ist unser Untergang. Und wenn das Streben nach Vielfalt, Diversität, Miteinander, Toleranz uvm. trotz ihrer Banalität von jedem/jeder leistbar wäre, um unser aller Dasein lebenswerter zu machen, warum tun wir’s eigentlich nicht?

 

"Ich ... bin ... übrig." (S. 44)

Nicht zuletzt weil Jol Rosenberg diesen und noch mehr Fragen mit Elan und Engagement nachgeht, ist “Etomi – Erwachen” und “Etomi – Aufbruch” ein wunderbares Beispiel sehr gut gemachter progressiver Phantastik.

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"Lea legte sich hin die vorgewärmte Mulde, der Deckel glitt über sie, geräuschlos, mit städtischer Perfektion. Die Einheit passte zu ihrem Körper. Ein städtischer Körper." (S. 13)
"Wenn die Leute hier in aufbereitete Ausscheidungen bezahlt werden wollen, hatte sie nichts dagegen." (S. 62)
Ein hübsches Pärchen
"Das Einzige, an dem es mangelte, waren Ersatzteile. Manche Dinge änderten sich nie." (S. 396)

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