Ursula K. Le Guin – Erdsee
von noosphaere · Veröffentlicht · Aktualisiert
Eine illustrierte Vorlese-Reise (Teil 7):
Nachdem wir Der Herr der Ringe und Der kleine Hobbit von Tolkien als Vorleselektüre passiert haben, stand die Frage im Raum, womit wir nun weitermachen. Die Wahl fiel auf ein dickes Buch einer Autorin, von der ich zugegebenermaßen noch kein Werk gelesen habe, es aber schon immer vorhatte.
So beenden wir nun die anstrengenden Tage unserer 92-Jährigen mit der illustrierten Gesamtausgabe von Erdsee, erdacht und publiziert von einer der ganz Großen der Phantastik: Ursula K. Le Guin.
Illustrationen zu "Erdsee"
Quelle: Midjourney/ Ralf H. Schneider
Texte zu den einzelnen Etappen
Bevor wir zu einem weiteren Roman kamen, las ich Minni ein paar ihrer alten Briefe aus der Nachkriegszeit vor. Als non-fiktionales Kontrastprogramm gedacht, musste ich jedoch schnell bemerken, dass die echten Erinnerungen mit der Gegenwart verschmolzen und nicht mehr wirklich zu trennen waren. Immer wieder in zeitlichen Verwirrungen verstrickt. Unklar, was nun vergangen war und was gerade passiert, ließen wir die Briefe wieder im Schrank verschwinden und wandten uns einer noch unbekannten und unerinnerten Geschichte voller phantastischer Wesen und Magie zu.
Ein Magier von Erdsee
In einem Schreibstil, der sich von Tolkien ziemlich unterscheidet, geht es los: Wir beginnen Erdsee von Ursula K. Le Guin:
Nach einer ziemlich unspektakulären Kindheit auf der Insel Gont entdeckt der heranwachsende Jüngling Duni sein Talent für Magie. Von der im geheimen praktizierten einfachen Magie seiner Tante angetriggert, probiert er sich aus und rettet unversehens sein Dorf Zehn Erlen vor einem kriegerischen Überfall, indem er einen Nebel erzeugt, der die Angreifer verwirrt, sie zum Teil in die Tiefe stürzen lässt und den Dorfbewohnern ermöglicht, sich zu wehren. Von der Macht der entfesselten Magie überfordert und geschwächt, lernt der Junge zum ersten, aber nicht zum letzten Mal, den Preis für unbedachten Einsatz von Magie zu bezahlen.
Vom Erscheinen der Magie angelockt, nimmt der weise Zauberer Ogion sich des Jungen an, macht ihn zu seinem Lehrling und gibt ihm seinen neuen Namen: Ged.
Zu Beginn von Le Guins Erdsee durchläuft Ged nach seinem Erstkontakt mit Magie in einem heftigen Tempo die Lehre eines Magiers. Da ihm Ogion als Lehrmeister nicht die ersehnten Fähigkeiten beibringen kann/will, fährt er auf die Insel Rokh, um dort in die Schule für Magier aufgenommen zu werden. Er findet in Vetsch einen guten Freund und in dem Otak Hoeg einen treuen Begleiter. Stolz, Ungeduld und Wut auf seinen Widersacher Jasper treiben ihn dazu, unvorbereitet echte Magie zu nutzen, was ihn beinahe und den Erzmagier Nemmerle tatsächlich das Leben kostet. Von nun an wird er von dem durch ihn freigesetzten Gebbeth gejagt. Sich nur langsam erholend beendet er seine Lehrjahre ohne nennenswerte Vorkommnisse auf Rokh.
Da wirklich viel auf wenigen Seiten passiert, versuche ich am Ende einer Lese-Sitzung das Erzählte für meine Seniorin noch einmal zusammenzufassen. Mir scheint, sie ist oft in Gedanken woanders … z.B. bei ihrem neuen (von mir verbrochenem) Kurzhaarschnitt oder nicht gegessenen Mahlzeiten oder durch kleine Nickerchen am Tage hervorgerufene Konfusion über die tatsächliche Uhrzeit … dennoch lauscht sie artig meinen Worten und fragt oft beklagend, ob es schon zu Ende sei … Balsam für die Vorleserseele 😉
Das Alter birgt manche unangenehme Überraschung. Eine ist, dass man nie weiß, ob man sich sich nach dem Frühstück am selben Tag nicht doch im Krankenhaus wiederfindet. So erging es meiner 92-jährigen Zuhörerin und die vergangenen Tage waren mehr als nur turbulent. Eine TIA und eine anstrengende Nacht in der Stroke Unit mitsamt unkontrolliertem und eine üble Verletzung nach sich ziehend später, war erstmal alles nicht mehr so wie zuvor. Zum Glück war es nur eine Nacht im Krankenhaus, die aber nur langsam abklingendes “Echo” nach sich zog. Geschwächt und durcheinander findet sich Minni allmählich wieder in ihre Routine ein, wenngleich es wohl noch ein paar Wochen dauern wird, bis alles wieder beim Alten ist.
Wir fingen ganz langsam wieder an, Le Guins Geschichte aufzunehmen. In kleinen Häppchen geht nun allmählich die Reise von Ged weiter. Auf wenigen Seiten geschieht dabei allerdings so viel und auch die Namen von Inseln, Orten und Personen sind für meine betagte Zuhörerin so sehr herausfordernd, dass ich immer nur wenige Seiten lese und versuche, das Wichtigste für sie auszuschmücken und etwas zu erläutern.
Vorrübergehend findet Ged auf Niedertorning eine neue Aufgabe als die dortige Gemeinde vor neun auf der Nachbarinsel Pendor lebenden Drachen beschützender Magier. Er freundete sich mit dem Bootsbauer Pechvarri an, scheitert an der Heilung dessen Sohn und wäre beinahe selbst ins Reich der Toten gezogen worden. Auf Pendor stellt er sich den Drachen, statt auf ihren Überfall zu warten, besiegt ein paar kleinere Drachen und vereinbart mit dem alten Drachen Yevaud ein Friedensabkommen, bei dem er den dem Drachen bekannten Namen des Schattens gegen einen Nicht-Angriffs-Pakt für Niedertorning eintauscht.
Der Schreck des Krankhaus-Intermezzos steckt Minni noch in den Knochen und die Wunde der nächtlichen Eskapade heilt dank Blutverdünner nur sehr langsam. Um von den beängstigenden Erinnerungsfetzen abzulenken, ist die beinahe kopflose Flucht des Magiers Ged mit all den alptraumhaften Erfahrungen womöglich nicht die beste Ablenkung, aber meine Seniorin verlangt nach mehr 😉
Niedertorning mit einem Schiff gen Rokh verlassend, muss Ged feststellen, dass die Magie der Insel, der Rokhwind, ihn von ihr fernhält. Von seiner zweiten Heimat zurückgewiesen, landet er auf der Insel Serd und wird dort vom Schatten gefunden. Flüchtend verlässt er Serd via Havnor gen Hosk. Dort entschließt er sich nach einem Tipp auf die Insel Osskil zu reisen und den Hof des Terrenon aufzusuchen. Auf dem Schiff lernt er den zwielichtigen Skiorh kennen, der anbietet, ihn zum Hof zu bringen. Dieser ist allerdings vom Schatten besessen und überfällt Ged als Gebbeth. Unfähig, sich gegen den Schatten zu wehren, flieht Ged, entkommt nur mit knapper Not und rettet sich auf den Hof des Terrenon. Dort wird er von Serret, Frau des Burgherrn, Fürst Benderesk gesund gepflegt. Allerdgins wird dort versucht, ihn zu verführen, den uralten magischen Stein Terrenon zu berühren. Serret widersetzt sich dann aber doch der List ihres Herrn und verhilft Ged zur Flucht. Von uralten geflügelten Wesen gejagt, entdeckt Ged seinen treuen Otak tot im Schnee liegend, Serret verwandelt sich in eine Möwe und Ged in einen Falken. Während Serret auf der Flucht scheinbar getötet wird, fliegt Ged als Falke verwandelt viel zu lange und rettet sich auf die Insel Gont zu Ogion. Dieser verhilft Ged wieder zu seiner menschlichen Gestalt, heilt ihn und rät ihm, sich dem Schatten zu stellen.
Mit einem neuen Zauberstab ausgerüstet macht sich Ged auf die Jagd nach seinem Verfolger. Auf dem Meer kommt es dann zum Kampf mit dem Schatten, Geds Boot zerschellt an den Klippen einer namenlosen kleinen Insel und entkommt erneut nur mit knapper Not. Bei einem zerlumpten Paar in einem Holzverschlag Schutz findend, erholt sich Ged. Während der wenigen Tage auf dem Eiland erahnt Ged das Schicksal der beiden, die als Kinder einer Kargader Adelsfamilie offenbar auf der Insel vor vielen Jahren ausgesetzt wurden. Sein zerschelltes Boot notdürftig mit Magie geflickt, begibt er sich schon kurze Zeit später wieder auf seine Jagd. Wieder auf den Schatten treffend, bemerkt er, das dieser als Gejagter wesentlich weniger Macht besitzt, kann ihn aber nicht endgültig besiegen und geht auf der Insel Westhand an Land.
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