Melanie Vogltanz: Shape Me

Den Körper mit jemandem tauschen wollen/sollen/müssen - Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Autorin

Der Roman von Melanie Vogltanz ist Science Fiction, die insbesondere durch eine staatlich-wohlmeinende Einflussnahme der Kalorienaufnahme und einer futuristischen Technologie bestimmt wird: dem Body-Sharing. Eine Körpertausch-Technologie, die einerseits nur wenige Menschen nutzen können, andererseits für viel Unruhe sorgen kann.

Die Autorin spiegelt in ihrem Roman, wie sie selbst schreibt, einerseits ihre Erfahrungen mit ihrem eigenen Körper und der Funktion von Essen sowie andererseits die groteske Übersteigerung des Missbrauchs dieser fiktiven Technologie. Die mit dem temporären Tausch von Körpern in einer von Kalorien bestimmten Realität einhergehenden juristischen und politischen Rahmenbedingungen zeigen Gewinner und Verlierer in einer Welt, die es so (noch) nicht gibt. Aber auch die persönlichen Motive und Schicksale werden von vielfältigen Blickwinken vor und nach einem Körpertausch beleuchtet und an realen Lebensbedingungen “geschliffen”. Selbst so etwas “Kleines”, wie der vorübergehende Tausch des Körpers, hat tiefgreifende Konsequenzen.

Die eingestreuten Protokollauszüge von Vernehmungen und Aussagen nehmen zwar das prinzipielle Ende in Facetten immer wieder vorweg, lassen die/den Leser*in aber eher neugierig als wissensbefriedigt zurück und treiben so die Handlung voran.

Der Perspektivenwechsel in der Erzählung war für ein Nicht-in-einem-Rutsch-Lesen für mich schon herausfordernd genug. Das Wechseln der Charaktere in einen jeweils anderen, ggf. schon zuvor beschriebenen Körper, überforderte mich allerdings beizeiten, was aber nur meiner eigenen Unkonzentriertheit und nicht der Autorin zur Last gelegt werden kann. Ich hätte mir Notizen machen sollen.

Neben dem (Über-)Lebenskampf ums Essen, Body-Shaming und der Konfrontation mit auf Äußerlichkeiten beruheden Stereotypen greift Melanie Vogltanz auch noch das Schicksal von an Multipler Sklerose erkrankten Menschen auf. Der Einsatz einer sonst eher selten behandelten, resp. meist vollständig marginalisierten Gruppe von Menschen ist aus meiner Sicht als Laie sehr gut gelungen und auch mutig. Mutig einerseits, weil man naturgemäß Gefahr läuft, betroffenen Menschen nicht gerecht zu werden oder sie womöglich zu brüskieren. Andererseits mutig, weil es für manch einen Gewohnheitsleser von Science Fiction verwirrend oder sogar abschreckend sein könnte. Beide Bedenken wurden meiner Ansicht nach von Melanie Vogltanz mit viel Feingefühl und subtilem Humor gemeistert worden, was Respekt verdient.

Alles in allem macht die Vorstellung, man könnte seinen Körper mit anderen tauschen auch in unserer Gegenwart, in der diese Technologie (zum Glück) nicht existiert, ein Gedankenexperiment möglich, dessen Resultat durchaus einen bedachteren Umgang mit dem eigenen Körper und mit Personen, die in anderen Körpern stecken, sein kann und sollte. Ich muss darüber erstmal nachdenken …

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