Melanie Vogltanz – Backstage. Tote geben keine Zugabe
von noosphaere · Veröffentlicht · Aktualisiert
Kurz-Rezension:
Die Erfahrung lehrt uns, dass manches entweder 0 oder 1 ist: Das Leben und der Tod ist so etwas. Entweder ist man tot oder eben nicht … und man lebt. Ein bisschen tot zu sein, geht nicht… wie auch ein bisschen schwanger zu sein eher schwierig ist … auch wenn man sich manchmal so fühlt, als ob man ein bisschen tot ist … ist das “nur” der schwere Teil vom Lebendigsein.
Wenn man stattdessen so wirklich tot ist, bekommt man das im Normalfall nicht mehr mit. Aber was ist in der Phantastik (und beizeiten auch in der Realität) schon normal?!
Melanie Vogltanz entführt uns mit “Backstage – Tote geben keine Zugabe” in den Zwischenraum, der sich jenseits des Diesseits und diesseits des Jenseits befindet. Dort, wo man weder tot noch lebendig ist … oder eben etwas von beidem.
Mit großem Genuss las ich Backstage in wenigen Tagen. Eigentlich waren es für mich eher traurige Tage und ein Buch zu lesen, in dem es um den Tod (und mehr) geht, nachdem ich in der Realität damit konfrontiert wurde, könnte als morbide Neigung deklariert werden. Stattdessen bot es mir eine sehr willkommene und überaus spannend-unterhaltsame Ablenkung, die mehr als an einer Stelle für eine Überraschung sorgte.
Der Schreibstil von Melanie Vogltanz trifft ziemlich genau meinen Geschmack … also einen meiner Geschmäcker. Ihr witzig-skurriler Humor hat genau die passende Schwärze … im übertragenen wie auch im Roman umgesetzten Sinn … und an keiner Stelle wird es langweilig oder stereotyp. Immer dann, wenn man sich an eine noch so skurrile Situation gewöhnt hat, geht unter einem die Falltür auf und man rutscht mit wahnwitziger Geschwindigkeit in die nächste Ebene, die einen zuerst orientierungslos empfängt. Doch nichts in Backstage ist willkürlich oder überflüssiges Beiwerk (merkt euch meine Worte!) und Melanie Vogltanz nimmt die/den Leser*in behutsam an die Hand und versorgt sie/ihn fürsorglich und empathisch mit genau der Menge Informationen, die notwendig ist, um wieder einigermaßen sicheren Stand zu bekommen … bis einen die nächste Klatsche trifft. Irgendwie hat es etwas von diesem American Gladiator TV-Format … und man muss schon sehr aufpassen, wieder ins Gleichgewicht zu kommen … denn sich wegzuducken, hilft bei Melanie Vogltanz nicht wirklich viel.
Es geht um das Leben und Ableben des Rockstars Cassidy Croaker, der kaum etwas von den klassischen Rock-Klischees auslässt. Die Rock-Dreifaltigkeit Sex, Drugs und Rock ‘n’ Roll lebt er exzessiv aus und konzentriert sich den Großteil seines Lebens hauptsächlich auf sich.
Das kommt zwar seiner Karriere zugute, aber dem privaten Glück ist diese Art des Daseins eher weniger zuträglich und so kommt es, dass Cassidy eigentlich nur von denjenigen, die ihn am wenigsten kennen, bedingungslos geliebt wird … seinen Fans.
Aber neben der rasanten Story und den immer wieder überraschenden Wendungen, ist es vor allem die Tiefe der Charaktere, die mich ans Buch gefesselt hat. Melanie Vogltanz versteht es, den einzelnen Charakteren … und damit meine ich nicht nur die Hauptfiguren … eine sehr gut recherchierte fiktionale Tiefe zu verleihen, die sich einerseits in Eigenschaften und andererseits in fiktionalen Lebenserfahrungen widerspiegeln. Ich kann für die Autorin nur hoffen, dass es sich tatsächlich um recherchierte oder frei erfundene Erfahrungen handelt und nicht um autobiografische, denn das, was da den Romanfiguren widerfährt, ist beizeiten ziemlich heftig. Allerdings befürchte ich, dass sich so manche Romanepisode mit der ein oder anderen Lebensepisode der Autorin vermengt hat, denn so detailliert und schlüssig, wie einige Szenen geschildert werden, scheint sich reale Erfahrung und Erinnerung ihren Weg in die fiktionale Ebene zu bahnen.
Aber, das soll natürlich das Geheimnis der Autorin bleiben.
In Backstage wird einem ziemlich viel geboten: Es geht um Tod, das ausschweifende Leben eines Rockstars, dem Leben danach, um Reue, Rache, Liebe, Sex, Wut, Freundschaft, Feigheit, Versäumnisse, Lust, Geister, Kampf, Streit, Schmerz und Verzeihen. Und das waren nur die Sachen, die mir gerade spontan eingefallen sind, nachdem ich das Buch soeben beendet habe.
Mit viel Witz und Charme werden extreme Situationen in erträgliche Bahnen gelenkt und während beim Lesen so einige Bilder diverser Kinofilme in meinem Kopf auftauchten (u.a. Szenen mit Patrick Swayze und Jack Nicholson … aber auch die ein oder andere Episode von Supernatural), wurde ich ständig wieder von unerwarteten Wendungen überrascht und bemerkte trotz der Vielfalt der Handlungsstränge, wie sich gegen Ende der Geschichte alles zu einem großen Ganzen fügte.
Backstage ist uneingeschränkt empfehlenswert und ich würde mich überaus freuen, wenn die Geschichte einmal verfilmt werden würde 🙂