Informationssuche – Eine neue (beängstigende) Qualität
Inzwischen sind die Proteste gegen die Vorratsdatenspeicherung langsam wieder abgeklungen, obwohl die Unterzeichnung des ‘Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG’ erst einen Monat her ist.
So viel Medienpräsenz hatte der Bundestag seit den letzten Wahlen nicht mehr erhalten, von Bundespräsident Horst Köhler ganz zu schweigen. Doch das Gedächtnis der Öffentlichkeit ist sehr kurz, denn schließlich muss man schnell Platz für Neues schaffen, denn auch das Dschungel-Camp erfordert (und verdient?) unsere ganze Aufmerksamkeit.
Weshalb wird aber auf so eine sicherlich (hoffentlich?) nu(uuuuuu)r Gutes im Sinn habende Gesetzesregelung die bundesweite Presse gehetzt? Das Netz hat sich seine Überwachung doch bereits selbst geschaffen und unzählige Mirrors behalten die (unwichtigsten) Informationen über personenbezogenen Datenverkehr vor. Wer eine Person im Netz finden möchte, muss schon lange nicht mehr ‘normale’ Suchmaschinen wie Google und Konsorten nutzen oder staatlichen Einrichtungen im Dienste der Telekommunikationsüberwachung angehören.
Die kalifornische Personen-Suchmaschine spock.com hat es uns im letzten Jahr vorgemacht, wie leicht es ist, Daten über real existierende Menschen, die nicht einmal zwangsläufig zu den internetsüchtigen, exhibitionistischen Social Community- oder World-of-Warcraft-Junkies gehören müssen, zu erhalten.
Nun zieht Europa mit der österreichischen in Stronsdorf angesiedelten “European People Search Engine”123people.com nach. Die Verbindung des Namens mit Fotografien erleichtert hierbei die Einschätzung, ob man die richtige Person gefunden hat. Sicherlich werden sich jetzt all diejenigen, die noch nie eine ‘Über mich’-Seite ins WWW gestellt haben, entspannt zurücklehnen und den Netz-Exhibitionisten ihre eigenen Früchte ernten lassen. Doch so einfach gestaltet sich das leider nicht, denn personenbezogene Informationen sind nicht zwangsläufig von der Person selbst online gestellt. Manchmal geschah das nicht einmal in der Absicht, diese wirklich online zu stellen.
Auch wenn 123people.com sich erst noch seine Sporen verdienen muss, kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass die Anfragen extrem schnell und freundlich bearbeitet werden. Die Mitarbeiter zeigen auf jeden Fall schon einmal ein sehr vielversprechendes Geschäftsgebahren.
Theoretisch ist alles, was digitalisiert worden ist und einmal auf einem am Internet angeschlossenen Computer gespeichert worden ist, online zugänglich. Theoretisch! Natürlich sind einige Hürden zu überbrücken, die sowohl legaler, illegitimer oder illegaler Natur sein können, um diese Daten wirklich online bereitstellen zu können. Doch wie gesagt, manchmal liegt es nicht einmal in der Absicht des Internetnutzers dies zu tun. Einmal kurz eine Peer-to-peer-Freeware auf seinen Rechner geladen … nu(uuu)r um kurz einmal (rein informationshalber) zu schauen, wie leicht es ist, kostenlos an urheberrechtlich geschützte Daten zu gelangen und *schwupps* ist die Festplatte durchsucht und womöglich für alle anderen ‘Kumpels’ freigegeben. Und so ein Lebenslauf braucht nicht wirklich lang, um upgeloadet zu sein.
Wer schneller online bekannt sein möchte, braucht natürlich nur ein eigenes Profil bei einer der unzähligen ‘Social Community’-Plattformen des web 2.0 (oder wie auch immer die Sammelbezeichnung sein mag). Den Irrglauben, dass nur die ‘Freunde’ innerhalb des eigenen Netzwerks, auf die personenbezogenen Daten Zugriff haben, sollte man schnell ablegen. Und was einmal online war, ist so schnell auch nicht wieder zu tilgen. Das Internet-Archive oder auch nur der Cache bei Google liefern noch lange Zeit nach offiziellem Tilgen der Daten, alte, längst im Orkus des Cyberspace verschwunden gewähnte Informationen. Karsten Polke-Majewski hat hierzu einen treffenden Artikel in der ZEIT verfasst.
Fazit: Wir sind schon lange überwachbar. Echelon oder ähnliche Mechanismen der Nachrichtendienste stellten bislang das technologisch bedingte Monopol für derlei Aktivitäten. Doch seitdem diese Technologie durch das Internet diffundiert, kann jeder von uns eine kleine, aber feine Nachrichtenzentrale aufbauen und so vom Ausgespähtem zum Späher werden. Nur noch ein einziger Faktor entscheidet, wie sehr man sich diesem Thema widmet: die Zeit, über die man verfügt. Den Rest kann man sich aus dem Netz ziehen…
[zuerst veröffentlicht bei http://interretiatus.wordpress.com]