c’t 2025 – Stories
von noosphaere · Veröffentlicht · Aktualisiert
Inhalt:
Stories
- I. Werner Weiske: Ausgesperrt (2025-01)
- Stephanie Lammers: Das letzte Mal (2025-02)
- Jol Rosenberg: Ein Haufen Schrott (2025-03)
- Ronja Lukas: Eudaimonia (2025-04)
- Roy O’Finnigan: Energiewandler (2025-05)
- Christian Endres: Seelenfrieden (2025-06)
- Gerd Schmidinger: Das Portal (2025-07)
- Marcel Mellor: Die letzte Vernehmung (2025-08)
- Thomas Heitlinger: Yakar darf nicht sterben (2025-09)
- Christian Endres: Very important robot (2025-10)
- Kris Brynn: An der Grenze (2025-11)
- Uwe Hermann: Der Löwenkönig (2025-12)
- Nob Shepherd: Sphärenklänge (2025-13)
- Christian Endres: Very important drones (2025-14)
- Maximilian Wust: Die Torpedo (2025-15)
- Friedrich aus der Wiesche: Der Tracker (2025-16)
- Uwe Post: Notchoc im Himmel (2025-17)
- Christian Endres: Smarte Tränen (2025-18)
- Thomas Heitlinger: Ein Quäntchen Glück (2025-19)
Ausgesperrt
von I. Werner Weiske
So absurd die Situation erscheinen mag und mich durchaus, mit der KI solidarisierend, schmunzeln lässt, so beängstigend deutlich rasen wir auf genau den von I. Werner Weiske in seiner Kurzgeschichte geschilderten Zustand zu: Völlige und absolute Abhängigkeit und Kontrolle durch Künstliche Intelligenz.
Ausgeklügelte Zugangskontrollen sind zunehmend digital, vernetzt und bald sicher auch KI-gestützt. Gut, noch viele Wohnungstüren besitzen einen physischen Schlüssel, aber ein Blick auf hochtechnisierte moderne Autos zeigt uns die gar nicht mal allzu ferne Zukunft: Der gute, alte Fahrzeugschlüssel … Fehlanzeige. Und der jüngste tödliche Vorfall in Schwerte Anfang September 2025, bei dem ein Mann und zwei Kinder in einem Tesla verbrannten, weil sie mutmaßlich das brennende, defekte Auto nicht mehr von innen entriegeln konnten, macht deutlich, wie wichtig es ist, dass eine nicht-digitale, nicht-KI-gesteuerte, mechanische Vorrichtung als Notmaßnahme nicht außer Acht gelassen werden darf.
Was dem armen, nicht wirklich sympathisch erscheinenden Menschen in „Ausgesperrt“ passiert, ist zwar nur die etwas trotzige Racheaktion einer KI und zeigt, dass man sich sehr wohl darüber Gedanken machen sollte, wie und was man mit einer KI konversiert.
Geht man davon aus, dass wir auf eine Singularität zustreben, ist das im Grund schon beängstigend genug. Was mir aber so wirklich einen Schauer über den Rücken laufen lässt, ist die Tatsache, dass so gut wie die gesamte Technologie hinter diversen starken KI-Systemen unter der Kontrolle von … sagen wir mal … bedenklich unkontrollierbaren, finanziell und politisch omnipotenten, moralisch eher wenig philantropisch orientierten, dem Paläolibertarismus und Transhumanismus frönenden Tech-Millionären/Milliardären/Billionären stehen. Was, wenn nicht die KI als solche das Problem ist, sondern die vornehmlich narzisstischen Männer dahinter?
Eine humorvoll-beängstigende Kurzgeschichte, in der es auch schön war, die Wörter „‚Geplänkel“ und „Sperenzien“ mal wieder zu lesen. Etwas als „Sperenzien“ zu bezeichnen, wenn jemand mal wieder Schwierigkeiten macht, findet meiner Ansicht nach viel zu selten Verwendung. Es hat so etwas Verniedlichendes mit einer Prise Abwertung der/des Übeltäter_in. Nach dem DWDS (https://www.dwds.de/wb/Sperenzien) war es vor allem wohl 1976 ziemlich populär … sozusagen „Wort des Jahres“. Wäre es damals schon regelmäßig gekürt worden, hätte es gute Chancen auf einen der oberen Plätze gehabt.
Das letzte Mal
von Stephanie Lammers
Auch in einer fernen Zukunft, die geprägt sein wird von den katastrophalen Konsequenzen der Ausbeutung und der Zerstörung unseres Planeten, wird es Menschen geben, die es sich für Unsummen leisten können, das zu genießen, was auf einer intakten Erde noch selbstverständlich war/ist: Der Genuss natürlicher Speisen.
Stephanie Lammers entführt uns in eine mögliche zukünftige japanische Meisterküche, die in einem Maß kommerzialisiert sein könnte, dass unsere nervigen audiovisuellen Werbeeinblendungen wie naive Versuche von Kindern belächelt werden würden.
Wenn alles digital ersetzt, technologisch optimiert und bis ins kleinste Detail rekonstruierbar ist, wird der alltägliche Regentropfen, der natürliche Geruch von Kräutern und der jetzt noch selbstverständliche Geschmack von Fleisch unbezahlbarer Luxus oder gar völlig unerreichbar sein.
Ein gar nicht einmal so subtiler Appell an uns alle, das zu schützen, was uns die Natur anbietet und das zu genießen, was wir als selbstverständlich ansehen.
Ein Haufen Schrott
von Jol Rosenberg
Transhumane Technologie wird auf absehbare Zeit etwas für sehr, sehr reiche Menschen sein, die sich schon längst von der Welt entfremdet haben und ihr Heil in der Erweiterung ihrer sinnentleerten Hülle suchen.
Wenn sie es brauchen 🤷♂️
Was aber, wenn die Technologie in die (von harter Arbeit gezeichneten) Hände gerät, die wirklich Unterstützung benötigen?
Jol Rosenberg schafft es mal wieder schon nach den ersten Sätzen die/den Leser*in in eine dezent dystopische Welt ohne Perspektiven zu katapultieren, in der es dann durch eine Verkettung von Zufällen doch einen unerwarteten Hoffnungsschimmer gibt.
Eudaimonia
von Ronja Lukas
Viele sprechen aktuell von Assistenz oder persönlichen Assistenten. Ob Menschen derlei wirklich benötigen oder dieser Wunsch uns von der Tech-Industrie nur mehr oder minder subtil eingeflüstert wird, vermag ich nicht auseinanderzuhalten. Zumeist ist damit lediglich mehr oder minder intelligente Software gemeint, die unseren durch Software bestimmten Alltag erleichtern soll. Merkt jede_r selber, oder?
Gleichwohl es schon ein vielversprechender Markt ist und zukünftig ein immenser sein wird, besteht dennoch oft wirklich das Bedürfnis nach Unterstützung, Führung, Hilfe. Meistens dann, wenn man es aus sich heraus nicht mehr alleine schafft.
Ronja Lukas erzählt die außergewöhnliche Geschichte eines Menschen, der psychische Probleme hat, die ihn belasten, ihn krank und das Leben nur schwer erträglich machen. Statt chemische Substanzen zu sich zu nehmen, hat die digitale Therapie durch moderne Hard- und Software eine Entwicklung erfahren, die einerseits miniaturisiert, andererseits individualisiert, im wahrsten Sinne des Wortes, eingesetzt wird.
Direkt am Gehirn ansetzend wird ein ganz persönlicher, guter Geist – ein Eudaimonion – generiert, der in diesem speziellen Fall in Gestalt eines nur für ihn sichtbaren Plüschhasen, sich mal als nervig, mal als ungeschönt ehrlich und mal als herausfordernd erweist.
Womöglich kann es eine gute Unterstützung sein, in festgefahrenem Zustand, angeschoben und die Richtung gewiesen zu bekommen, um ausreichend Selbstsicherheit zu erlangen, den Weg alleine oder vielleicht mit anderen (echten) Begleiter_innen zu gehen. Aber ob es die/den menschlichen Psychotherapeut_in ersetzen wird, lässt mich rätselnd zurück. Von Kolateralschäden oder gruseligen Nebenwirkungen im Gehirn mal ganz abgesehen.
Aber eine knuffige Vorstellung ist es schon.
Energiewandler
von Roy O’Finnigan
Energie kann weder erzeugt noch vernichtet werden, sondern nur von einer Form in eine andere umgewandelt werden.
Das zumindest sagt uns der 1. Hauptsatz der Thermodynamik … völlig unabhängig davon, ob der Mensch daran glaubt oder nicht.
Soll heißen, dass der Versuch, der Erderwärmung mit Technologie beizukommen, ziemlich kurz gedacht ist, denn die potentiell so entzogene Energie… womöglich thermische, muss anschließend ja auch irgendwohin. Aber Abfallmanagement war ja noch nie unsere Stärke. Ganz besonders ungeschickt wird es, wenn die so erzeugte (womöglich elektrische) Energie nirgends hin kann, weil es die, der Technik sei Dank, schon überall und jederzeit im Überfluss gibt.
Die etwas kurzsichtigen Exemplare der Spezies Mensch, die derlei physikalische Realität aus blinder Technikgläubigkeit, religiösem Wahn oder simpler Dummheit nicht erkennen oder wahrhaben wollen, werden über kurz oder lang dieselbige Energie letzten Endes am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Roy O’Finnigan gibt uns einen leicht schwarzhumorigen kurzen Einblick in eine mögliche Zukunft, die uns eine Lösung des Klimawandels via KI verspricht, nur um … ooopsi … als komplette Menschheit völlig unvorbereitet einer gänzlich anders gelagerten (Energie-)Katastrophe gegenüberzustehen.
Das ist dann wohl der (noch nicht erfundene) Thermodynamik-Darwinismus 😉
Seelenfrieden
von Christian Endres
Es läuft bei künstlich erschaffenen Androiden immer auf dasselbe hinaus: Ab welchem Punkt lebt die Maschine? Kann sie Gefühle entwickeln? Ist sie dem Menschen ebenbürtig? Hat die Konstruktion dieselben Rechte wie ein Mensch Hat sie ein Bewusstsein … eine Seele?
Nun, diese Fragen sind einerseits juristischer, andererseits soziologischer, philosophischer, naturwissenschaftlicher, psychologischer und noch zahlreicher anderer -ischer Natur.
Nicht nur die Wissenschaft und die Erschaffer*innen, auch das Individuum selbst, sofern es sich als ein solches begreift, stellt sich mitunter diese Fragen.
Es hat in der Literatur und im Film eine lange Tradition, dieser Thematik nachzuspüren:
Ob Olimpia in Der Sandmann (E.T.A. Hoffmann, 1816), Frankensteins Monster in Frankenstein oder Der moderne Prometheus (Mary Shelley, 1818), Pinocchio in Le avventure di Pinocchio (Carlo Collodi, 1883), HAL 9000 in 2001: Odyssee im Weltraum (1968), Roy Batty im Do Androids Dream of Electric Sheep? (Roman, Philip K. Dick, 1968) / Blade Runner (Film, 1982), Ash in Alien (1979), Bishop in Aliens – Die Rückkehr (1986), Andrew Martin in The Bicentennial Man (Isaac Asimov, 1976 / Film 1999), K-2SO in Rogue One: A Star Wars Story (2016), David in A.I. Artificial Intelligence (2001), Sonny in I, Robot (2004), Number Six in Battlestar Galactica (2004–2009), Dolores Abernathy in Westworld (2016–2022), Ava in Ex Machina (2014), Samantha in Her (2013) oder WALL·E in WALL·E (2008).
In allen Geschichten wird nach der Menschlichkeit im Künstlichen gesucht.
Die Kurzgeschichte von Christian Endres stellt sich in diese illustre Reihe und entführt uns feinfühlig auf einen fernen terrageformten Planeten, auf dem ein menschlicher König mit seiner kybernetischen Königin herrscht. Gleichwohl die Königin alles hat und von ihrem Gatten über alle Maßen geliebt, vergöttert und verwöhnt wird, stürzt sie die eine ungeklärte Frage in einen qualvollen, depressiven Zustand:
Habe ich eine Seele?
In futuristisch-märchenhaftem Ambiente halten zahlreiche Expert*innen verschiedenster Fachrichtungen Hof bei dem Königspaar und untersuchen die Königin auf jede nur erdenkliche Art. Auch wenn scheinbar Antworten gefunden werden, überzeugt keine die verzweifelte Herrscherin … bis ein letzter Forscher, als sie beinahe schon aufgegeben hat, den Palast erreicht.
Ein schönes und lehrreiches Science-Fiction-Märchen bei dem man am Ende gedankenverloren über den Beweis über die Existenz der eigenen Seele nachdenken muss.
Das Portal
von Gerd Schmidinger
Mal keine wirklich-wirkliche Science-Fiction-Kurzgeschichte bei c’t story, gleichwohl sie geheimnisvoll und düster beginnt und mit High-Tech und Algorithmen zu tun hat.
Schon mit dem Titel führt Gerd Schmidinger die Lesenden geschickt auf eine Reise in die Dunkelheit, direkt mit einer düsteren Szene beginnend kurz vor dem dramatischen Showdown.
Ein erschreckend einprägsamer Sprint durch die Wirksamkeit und Gefahren von social media mit verheerenden psychischen und physischen Folgen in der realen Welt.
Die letzte Vernehmung
von Marcel Mellor
Micro-Rezi
In: c’t 2025/08. Heise-Verlag, S. 168-172
Die Nutzung der Sprache, des Wortschatzes und weiterer Daten eines Menschen, um über dessen Tod hinaus mit ihr/ihm zu kommunizieren, ist heutzutage bereits in vollem Gange und wird, denke ich, noch ein ziemlich großer Markt werden. Noch einmal mit verstorbenen Menschen, mit denen man das Leben teilte und/oder sie liebte, ist, wie ich finde, ein überaus verständliches Bedürfnis.
Was die Aufzeichnung und Interpretation von Gehirnprozessen angeht, die einer Art Rekonstruktion von Erinnerungen, des Wahrgenommenen und unseres Denkens gleichkäme, ist noch Zukunftsmusik. Werden wir so etwas einmal beherrschen, wird das unser aller Leben und auch unsere Beziehung zum Tod maßgeblich verändern.
Marcel Mellor erzählt uns in seiner spannenden und mich überraschenden Kurzgeschichte, wie Behörden ganz pragmatisch mit den Erinnerungen von Verstorbenen umgehen, um polizeiliche Ermittlungsarbeit zu unterstützen, z.B. um zu klären, ob diese eines natürlichen oder gewaltsamen Todes gestorben sind. Dabei entstehen skurrile Situationen, in denen Lebende die Toten befragen, aber die Toten, bzw. die rekonstruierten Engramme verstorbener Menschen nicht zwangsläufig wissen, dass sie nur noch in einer Software existieren. Wer aber glaubt, dass diese Art der Kommunikation nur eine Einbahnstraße sein muss, wird von Marcel Mellor eines Besseren belehrt.
Yakar darf nicht sterben
von Thomas Heitlinger
Micro-Rezi
In: c’t 2025/09. Heise-Verlag, S. 168-172
Manch eine wissenschaftliche Theorie ist nur solange unmöglich empirisch umzusetzen, bis elementare Rahmenbedingungen vorhanden sind.
Die Science-Fiction wurde gerade in letzter Zeit ab und an von der Realität überholt, wodurch Autor_innen fiktionaler Geschichten wie Dokumentator_innen erscheinen.
Thomas Heitlinger widmet sich in seiner Kurzgeschichte der Technologie des Beamens. Der seit der ersten Star Trek Serie viel diskutierte Traum vom De- und Re-Modulieren von Materie in Information und umgekehrt, bei zeitgleichem Transport durch den Raum, steht auch in dieser Geschichte Pate.
Doch was als ein wissenschaftliches Experiment begonnen hat, bestimmt hier das Schicksal eines ganzen Landes. Ich frage mich nur, ob die in dieser Geschichte erzeugte Stabilität, nicht einen zu hohen Preis hat, nämlich den eines konservierenden Stillstandes.
Very important robot
von Christian Endres
Micro-Rezi
In: c’t 2025/10. Heise-Verlag, S. 168-172
Spätestens seit es Maschinen mit menschenähnlichem Aussehen gibt, beschäftigen wir uns mit der Frage, wie wir mit diesen künstlichen Konstrukten umgehen. Betrachten wir sie als Objekt oder Subjekt? Gestehen wir ihnen (die gleichen) Rechte zu, die wir für Menschen beanspruchen? Verhalten wir uns ihnen gegenüber wie wir es bei Menschen tun?
Die Debatte macht nicht halt vor weniger greifbaren Exemplaren und flammte erneut mit dem Aufkommen von Tools künstlicher Intelligenz auf, wie effizienten Large Language Models der jüngsten Zeit. Sollen mit genAI höflich kommunizieren? Kann ein genAI-ChatBot einen menschlichen Gesprächspartner ersetzen? Können/dürfen/sollen wir Gefühle für KI-Personae haben?
Auch ohne Menschenähnlichkeit und KI kennen wir Beziehungen zwischen Menschen: zärtliche Autobesitzer und ihren fahrbaren Untersatz, Smartphone-Besitzer*innen und ihre Kommunikations-Geißel, Menschen und ihre Glücksbringer/Talismane etc. Auch amouröse Beziehungen wie bei der Objektophilie sind längst nicht mehr so selten.
Was also veranlasst uns dazu, Gefühle für Maschinen abzuwerten?
Christian Endres erzählt in seiner eindrucksvollen und mich nachdenklich stimmenden Kurzgeschichte von einer Personenschützerin, die vorbehaltlos den Schutz ihrer nicht-menschlichen Klient*innen priorisiert und dabei soziale Grenzen offenlegt und durchlässig macht.
An der Grenze
von Kris Brynn
Micro-Rezi
In: c’t 2025/11. Heise-Verlag, S. 168-171
Visualisierbare Gehirnscans sind die Königsdisziplin der neuronalen Decodierung … oder werden es womöglich in der Zukunft sein. Was wären wir bereit dafür zu zahlen, wenn wir unsere Träume aufzeichnen und auswerten lassen könnten? Was gäbe die Forensik, die letzten Minuten vor einer Straftat aus dem Opfer (oder dem Täter) herauslesen zu können?
Das sind schon mal zwei vertretbare Szenarien, für die sich die Forschung und technologische Entwicklungsarbeit lohnt. Was aber, wenn wir die visualierbaren Inhalte unseres Gehirns einfach nur verscherbeln würden? Wer würde dafür zahlen? Und wer würde das Material liefern können? Gäbe es dafür einen Markt?
Kris Brynn wagt den sehr makabren Schritt in eine grenzwertige Welt, in der es um den kriminellen Handel mit Nahtoderfahrungen geht. Der Haken dabei ist: Die hierfür ausgewählten Probanden haben dem Auswerten ihrer Gedanken so kurz vor dem eigenen Ableben keineswegs zugestimmt und nicht immer ist klar, wie die Resultate dabei aussehen.
Auch wenn mich die Kurzgeschichte etwas unangenehm angefasst hat, ist sie eine plausible Fortführung der menschlichen und moralfreien Skrupellosigkeit, die bekanntermaßen vor der Überschreitung ethischer Grundsätze keinen Halt macht. Die Autorin schildert hier eine vielleicht gar nicht so weit in der Zukunft liegende Frage, der sich der Ethikrat womöglich irgendwann einmal stellen werden muss.
Der Löwenkönig
von Uwe Hermann
Micro-Rezi
In: c’t 2025/12. Heise-Verlag, S. 168-171
Gleichwohl ich immer weniger Menschen kenne, die mit ihrem Smartphone (auch wenn es hier im Text ein Videofon ist) telefonieren, spricht diese Kurzgeschichte von Uwe Hermann einen wunden Punkt an, der uns immer wieder aufs Neue „überrascht“: Unsere eigene Naivität.
Wir denken immer, wir könnten unser Leben und unsere unmittelbare Umwelt kontrollieren. Doch dass dies in einer kapitalistischen und vollständig vernetzten Welt schon jetzt nur eine Illusion ist, sollte uns eigentlich längst klar sein, ist es aber auf wundersame Weise nicht. Da ist der Schritt via KI hin zu einer Welt, in der wir nie wieder den Echtheitsgrad einer Information, eines (bewegten) Bildes oder eines (gesprochenen) Wortes beurteilen können, lediglich das vorerst letzte Kapitel der Geschichte, in dem wir Menschen nichts anderes sind als Kapital für Großkonzerne, indem wir arbeiten, konsumieren und permanent Daten erzeugen.
Wir haben wohl schon längst die Kontrolle über unser Leben und die digitale sowie physische Realität, in der wir leben, verloren.
Sphärenklänge
von Nob Shepherd
Micro-Rezi
In: c’t 2025/13. Heise-Verlag, S. 166-170
Der Aufwand, ein kosmisches Kunstwerk der besonderen Art zu gestalten, mag zwar hoch sein, aber je einflussreicher Glaubensgemeinschaften und ihre Oberhäupter sind, umso größer ist wohl auch ihre religiöse Dekadenz mitsamt der dafür aufzubringenden Ressourcen.
Wenn einmal ein mit Sonden ausgestattetes Raumschiff zum Jupiter fliegen wird, nur um Signale vom Großen Roten Fleck für die Komposition einer Sinfonie aufzuzeichnen, hat die Menschheit wohl ihre größten Probleme überwunden … oder hat gelernt, sie mit absurden Aktivitäten zu ignorieren.
Nob Shepherd konterkariert diese musikalisch-transzendente Mission witzigerweise mit einer sehr weltlich-banalen Störung im Raumschiff: einer defekten, olfaktorisch belästigenden, sanitären Einrichtung.
Very important drones
von Christian Endres
Micro-Rezi
In: c’t 2025/14. Heise-Verlag, S. 168-172
Für künstliche Intelligenzen in Automatenkörpern gibt es überhaupt keinen Grund, auf einen einzigen Körper beschränkt zu sein. Da fällt mir ein, dass eigentlich kein Lebewesen (ich teile Christian Endres‘ Kurzgeschichten-Annahme, dass Roboter mit einem Bewusstsein, künstlich hin oder her, Lebewesen sind) aus nur einem Körper besteht. Man denke nur an die Milliarden Kleinstlebewesen, die sich entschlossen haben, mehr oder minder kooperativ in unserem menschlichen Körper an einem Strang zu ziehen. Da steckt auch mehr als ein Bewusstsein in uns Blutsäcken, auch wenn wir davon (noch) nichts wissen.
Sei’s drum … Roboter mit Bewusstsein, da waren wir gerade. Könnten wir unser Bewusstsein auf mehrere externe Satellitenkörper verteilen, was hätten wir für eine Reichweite!? Natürlich müsste unser Gehirn das alles auch noch sinnvoll verarbeiten. Und jede_r weiß, dass das menschliche Gehirn schon mehr als genug mit einer Bewusstseinsinstanz ausgelastet ist. Aber bei hoch performante KIs sieht das schon anders aus. Dennoch bleibt das Bewusstseins-Splitten nicht ohne Folgen für den „Mutter“-Körper und kann in letzter Konsequenz zum Shutdown führen.
Und wie schwer dann auch noch der Schutz einer solchen künstlichen Person aussieht, erfahren wir in Endres‘ Kurzgeschichten-Sequel. Wobei im Verlauf der Geschichte deutlich wird, dass nicht nur die von Teilen der Öffentlichkeit verhassten Roboter Personenschutz bedürfen, sondern noch gänzlich andere bedrohte Wesen.
Die Torpedo
von Maximilian Wust
Micro-Rezi
In: c’t 2025/15. Heise-Verlag, S. 168-172
Die Realität, in der wir leben, stellt sich als Illusion heraus. Ein durchaus bekanntes Prinzip in der Science-Fiction. Wie könnte man sich aber Gewissheit verschaffen, dass das, was man wahrnimmt, keine Illusion ist? Und was, wenn die als Illusion erkannte Wahrnehmung, die eigentliche Realität ist? Wo ist der Referenzwert, der einem Sicherheit bringt? Ähnlich wie bei Geschichten über Zeitreisen, sorgen derlei Szenarien bei mir regelmäßig für Kopfschmerzen … aber gute Kopfschmerzen 😉
Maximilian Wust dreht den Realitätswechsel in „Die Torpedo“ um noch eine weitere Umdrehung und garniert die Geschichte mit einem Metafiktion-Exkurs zur c’t selbst.
Ich kann nur hoffen, niemals in eine solchen Realitätszweifel zu geraten … aber vielleicht befinde ich mich ja schon längst mittendrin?n mittendrin …
Der Tracker
von Friedrich aus der Wiesche
Notchoc im Himmel
von Uwe Post
Smarte Tränen
von Christian Endres
Ein Quäntchen Glück
von Thomas Heitlinger


































